Montag, 22. Dezember 2008

Soljanka unterm Weihnachtsbaum

Heiligabend rückt unaufhaltbar näher und die meisten Menschen müssen nicht darüber grübeln, was bei ihnen an den Festtagen auf den Tisch kommt - selten ist der Speiseplan so tradiert wie am 24.und 25. Dezember, wobei jeder seinen kleinen Privatkult veranstaltet. Die Grundregel ist meist, dass es Heiligabend "Armeleuteessen" gibt (in Brandenburg gerne Grünkohl oder Kartoffelsalat mit Würstchen) und am 1. Weihnachtsfeiertag ein dickes Geflügel auf den Tisch kommt.

Auf langes Drängeln von Wasabi hin präsentiere ich nun aus gegebenem Anlass das Rezept für unser traditionelles Familienessen am 24.12. - Soljanka. Den meisten Westdeutschen ist diese säuerliche Tomatensuppe bestenfalls als DDR-Resteverwertungs-Relikt geläufig, obwohl sie durchaus eine Delikatesse sein kann. In unserer Familie schrauben wir nun schon 40 Jahre an dem Rezept herum - seit meine Eltern in einer Studentenbude mit einer einzigen Gaskochstelle fertig werden mussten. Als Referenz an diese bescheidenen Anfänge liefere ich im Folgenden parallel eine Spar- und eine Gourmetversion. Die unterscheiden sich nur in den Zutaten und brauchen zwei Herdplatten. Ich kalkuliere auf etwa 8 Liter, damit man viele Gäste einladen und vor allem das Ganze mindestens dreimal aufwärmen muss. Dann gibt's den berühmten Witwe-Bolte-Sauerkraut-Effekt. Natürlich kann man auch 2 l machen und alles alleine aufessen.


Man nehme: 2-3 l Fleischbrühe (selbst gekocht oder aus Brühwürfeln, Fett nicht abschöpfen), 1 kg Tomaten (oder 4 400 ml-Büchsen geschälte Tomaten), 3 frische Paprikaschoten (oder 2 Gläser sauer eingelegte Paprika), 6-7 Kartoffeln, 1 Glas saure Gurken, 650 g Jagdwurst (ersetzbar durch Knacker, Kasseler oder - für Mutige - Fisch), 4 Zwiebeln, 3 Knoblauchzehen (auch die eingelegten aus den Paprikagläsern nutzbar) sowie zum Servieren 1 Becher saure Sahne. Als Gewürze eignen sich Majoran, Basilikum, Oregano, Pfeffer, rosenscharfer Paprika, Pfeffer, etwas Zucker, bei Vorhandensein einige einheimische Trockenpilze sowie zum Nachsäuern ggf. Zitrone oder Essig. Für eine Expressversion lassen sich Tomaten und Paprika durch 2 Gläser Letscho und einige Tomaten ersetzen.

Sodann schreiten wir zur Vollstreckung: Die Brühe wird erhitzt, dabei gibt man die gewürfelten Tomaten- und Paprikastücken dazu und lässt alles gut durchköcheln. Währenddessen werden Schritt für Schritt die weiteren Zutaten dazugegeben. Als nächstes sind die Kartoffeln dran. Während die kleingewürfelt im Topf garkochen, präparieren wir die Jagdwurst und die sauren Gurken. Erstere werden gewürfelt, zweitere in dünne Scheiben geschnitten und dann jeweils in der Pfanne in etwas Öl bei etwas mehr als Mittelhitze knackig gebrutzelt.


Die Jagdwurst ist fertig, wenn alle Flächen braun sind, die Gurken sollten ebenfalls eine leichte Brauntönung bekommen und etwas ihrer Säure verlieren. Beides wird in den Top gegeben und mitgeköchelt. Anschließend sind die Zwiebeln dran, die in Ringe geschnippelt und ebenso in der Pfanne gebräunt (oder je nach Geschmack nur glasiert) werden. Zum Schluss kommt der Knoblauch ungebraten (!) in den Topf sowie die Gewürze. Jetzt köchelt das Ganze erst einmal mindestens eine halbe Stunde bei niedriger Hitze abgedeckt vor sich hin und sieht etwa so aus:


Dann kann abgeschmeckt werden. Ich für meinen Teil will kein Gulasch produzieren, weshalb ich in der Regel noch etwas wässere und dabei nachsäuere. Dazu nehme ich nicht Zitrone, sondern Gurkenwasser. Das säuert nicht so stark wie Essig und lässt sich besser dosieren, außerdem würde es sonst ohnehin nur weggeschüttet werden. Das Säuern sollte nicht zu früh pasieren, weil sonst die Kartoffeln gallert werden. Stimmt die Mischung aus Fruchtigkeit, Salz, Säure, Schärfe und Gewürzen (das Abstimmen kann bei mir gerne mal eine halbe Stunde dauern), kann serviert werden.


Am besten kleckst man sich einen Teelöffel saure Sahne auf die Schüssel. Als Beilage eignen sich frische Brötchen, Baguette oder als Sparvariante geröstetes Toastbrot. Als Nachtisch schmeckt hervorragend - schließlich handelt es sich hier um ein vorgeblich ostslawisches Gericht - ein klarer Wodka aus dem Tiefkühlfach. Und dann die zweite Schüssel. Und so weiter.

Dienstag, 25. November 2008

Ein Konditor wie früher

So sieht Verheißung aus

Es gibt ohne Zweifel kindliche kulinarische Prägungen. Neulich fiel mir das wieder auf, bei einem Besuch im Block House, dem ersten nach etwa 16 Jahren. In meiner norddeutschen achtziger-Jahre-Kindheit bedeutete Essengehen mit Mama und Papa unvermeidlich: Block House, Steak, Backkartoffel. Nach wie vor halte ich einen Restaurantbesuch, bei dem man sich einfach nur ein großes Stück gebratenes Fleisch zwischen die Kiemen schiebt, für eine ziemlich gute Idee. Letzte Woche in der Filiale an der Karl-Liebknecht-Straße fühlte ich mich gleich geborgen und aufgehoben, und die Backkartoffel war genauso gut wie in meiner Erinnerung.

In Bezug auf Süßes, Proust-Leser wissen Bescheid, scheint mir diese Prägung sogar noch stärker zu sein. Diese ganzen neuartigen Backwerke amerikanischer oder französischer Herkunft sind ja zugegeben nicht schlecht. Aber falls die Wahl besteht (leider besteht sie nur selten, es sei denn ich backe selbst, über das Unvermögen hiesiger Bäcker habe ich ja schon ausführlich lamentiert), also falls die Wahl besteht, ich zöge eine Scheibe Rührkuchen mit Schokoladensplittern aus der Kastenform (in Norddeutschland aus mir unerfindlichen Gründen „Puffer“ genannt), also ich zöge so eine Kuchenscheibe jedem Muffin vor. Oder ein Stück lockeren, gebackenen Käsekuchen jedem New York Cheesecake. Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Unvergeßlich, weil seit zwanzig Jahren nie wieder irgendwo angetroffen, sind die kleinen Biskuit-Buttercreme-Igel vom Dorfbäcker. Klassische Torten - Sahne oder Buttercreme, keine "leichten" Joghurt- Buttermilch- oder sonstwas-Mischungen - sind ja glücklicherweise noch nicht ganz ausgestorben.

Eine erstklassige Quelle für diese Tortenklassiker hat sich nun in Neukölln aufgetan. Nach einem Besuch im Saalbau Neukölln, wo noch bis zum 11. Januar eine Ausstellung der Produkte europäischer Genossenschaften läuft, führte mein Weg zufällig am Café Reichert in der Karl-Marx-Straße 166 vorbei, das mich mit seinem schwungvollen Fassadenschriftzug quasi ferngesteuert zur Kuchentheke zog. Ein echtes Konditorei-Café wie früher! Mit etwa 15 verschiedenen Torten, einigen Blechkuchen, Trüffelpralinen, Baumkuchenspitzen und dem ersten Weihnachtsgebäck in der Vitrine. Alles bodenständiges deutsches Kuchenrepertoire: Käsekuchen, Sachertorte, Linzer Torte, Schokoladentorte, keine modischen Cappucino- Panna cotta- oder Tiramisu-Kreationen.

Fast verrückt vor Vorfreude wurde ich, als ich dann noch die Nusstorte dort entdeckte, so eine, wie ich sie aus dem Norden kenne - Helles Biskuit mit Haselnuss-Sahne und Marzipandecke. Im Café Rix heißt sie folgerichtig Lübecker Marzipantorte und kostet 2,40 Euro (Mitnahmepreis). Auf diese Torte hatte ich in den Wochen zuvor einen solchen Appetit entwickelt, dass ich sogar schon Rezepte herausgesucht hatte.

Lübecker Nußtorte

GutesEssen entschied sich für ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte in der Sahne-Version (ebenfalls 2,40) (es gab sie auch mit Buttercreme). Zwar kann man natürlich alles auch vor Ort in einer Original-Caféeinrichtung aus den 1980er Jahren verzehren, aber so weit ging mein Nostalgieanfall dann doch nicht, die Bushaltestelle war außerdem nicht weit und das heimische Sofa lockte.

Zuhause machten wir uns dann über unseren Einkauf her, der genau so gut wie erwartet schmeckte. Lockerer Biskuitteig, lockere nussige Sahne, mandeliges Marzipan, die Kirschen in der Schwarzwälder Kirschtorte nur leicht alkoholisiert - perfekt. Definitiv ein Laden, wo ich nochmal hingehen werde, wenn ich den "wie-früher"-Geschmack brauche.

Mittwoch, 29. Oktober 2008

Flüssiger Rettungsanker aus dem Süden

Wann immer das Gesprächsthema auf tschechisches Bier kommt, kippt mein Gesichtsausdruck ins leicht Gequälte. Nicht, dass ich die Gerstenkaltschale aus der Republik ohne Meeranschluss nicht schätzen würde - im Gegenteil, ich freue mich auf jede Fahrt an die Moldau wie verrückt, weil ich weiß, dass ich blind eine "desitka" bestellen kann und auf jeden Fall etwas Trinkbares bekomme.

Nein, vielmehr setzt mir das zu, was in hiesigen Breitengraden in Verkaufsregal und Kneipenkühlschränke kommt. Jahrelang war das neben dem exzellenten Pilsner Urquell fast gar nichts, gelegentlich gab es irgendwo ein schwarzes Krusovice (und die tschechischen Schwarzen sind ebenso süß wie ihre deutschen Brüder mit der Ausnahme Köstrizer). Dann wurden die EU-Zollrichtlinien geändert und eine Masse bekannter und unbekannter Marken schwemmte in Discounter- und Getränkemarktregale. Was dort landete, waren zum Teil renommierte Marken, die sich hiesige Multis als Premiummarke (Krusovice, Branik, Budweiser) eingekauft hatten, oder schlicht erfundene billige Marken (Louny, Lobkowicz, Bohemia).

Das ist - bis auf die wahrscheinlich riesige Gewinnspanne, denn die meisten Gebräue kosten bei den Nachbarn einen Bruchteil - an sich noch nichts Schlechtes. Kriminell wird es erst, wenn man sich den Inhalt der Flaschen zur Brust nimmt. Die Discounter-Tschechen erwiesen sich allesamt als untrinkbar und unterbieten teilweise an Schalheit noch das berüchtigte Sternburg-Pils. Die sehr teuren Markenbiere müssten diese Klippe eigentlich umschiffen. Wie gesagt: müssten. Aber irgend jemand muss in einer sehr trüben Minute entschieden haben, dass nicht die Pils-Variante, sondern das geschmacklich schwächere Export (Krusovice) oder Lager (Branik) exportiert werden. Und so wandelt der Bierliebhaber schulterzuckend an den böhmischen Kästen vorbei oder greift seufzend doch wieder zum brieftaschenkillenden Urquell.

Aaaaaaaber: Kürzlich erschien in meinem grauen Alltag ein unerwarteter wie heller Lichtstrahl. Er blendete mich aus einem versteckten Winkel hinter einer Südleipziger Getränkemarktkasse durch den schlichten Fraktur-Schriftzug "Gambrinus". Eine Nachfrage bei der Kassenbesatzung provozierte spontane Luftsprünge - ja, das sei jetzt ständig im Angebot. Zwar zum Premium-Preis, aber immerhin ein echter Pilsener.



Was an dem Tropfen so toll ist? Es handelt sich um den kleinen Bruder von Pilsner Urquell. Der kommt ebenfalls aus der Mutterstadt des Bieres und hat seine Brauerei direkt neben der, in welcher die Weltmarke gebraut wird und die den selben Besitzer hat. Folglich, wohl auch wegen ähnlichen Wassers, schmeckt das Gebräu dem Primus sehr ähnlich und hat die typisch tschechische ... nun ja, ich nenne es Fruchtigkeit. Auch hier haben wir es mit einem Lager zu tun, aber eines, das in der Qualität nicht wesentlich abfällt. Außerdem habe ich jetzt endlich wieder die Möglichkeit, das schönste Bierglas der Welt, für das ich vor fünf Jahren extra nach Plzen fuhr (dort gibt es ein umfangreiches Biermuseum mit Werksverkauf - man will ja nicht klauen), wieder adäquat zu füllen.

Großartige Werbekampagnen oder eine deutsche Homepage gibt's nicht, was auch etwas Sympathisches hat. Nur einen möglichst weitreichenden Vertrieb, den wünsche ich diesem Neuankömmlig auf dem deutschen Markt von ganzem Herzen. Prost!

P.S.: Wann kommt Velkopopovický kozel? Angeblich kommt der schon auf uns zu galoppiert, unkt die Presse.

Dienstag, 21. Oktober 2008

Schmelzkäse können sie in Sangerhausen

Schmelzkäse in Alufolie aus dem Käsewerk Sangerhausen

Für zwei Dinge ist die kleine Stadt im Harzvorland berühmt - für eines zu unrecht. Da gibt es einmal das Rosarium. Das muss man sich als endlose Ansammlung von Beeten mit unglaublich vielen Rentnern in beigen Jacken und Hosen dazwischen vorstellen. Ganz nett anzusehen wenn die Blumen blühen; den überwiegenden Rest des Jahres ist es einfach nur stinklangweilig. Vom Kupferbergbau ist nichts mehr übrig, die Geschichte mit Schaubergwerk, Lehrpfad und Museum ist das zweite touristische Standbein.

Und dann gibt es das Käsewerk. Unbekannt, aber erwähnenswert. Das duftet möglicherweise auch - was ich aber noch nicht überprüft habe - hat aber den Vorteil, das ganze Jahr über wirklich guten Schmelzkäse zu produzieren und bis Berlin zu liefern.

Schmelzkäse. Bemerke ich da verstohlenes Naserümpfen? Peinlich berührtes Räuspern? Lassen wir doch das einen Augenblick mit dem ewigen Rohmilchbergkäse, dem Chèvre, tête des moines und was so - Gottseidank - mittlerweile die deutschen Kühltheken bevölkert. Ich will das mal klarstellen: Gut gemachter Schmelzkäse ist ein recht netter Brotaufstrich, idealerweise für den Imbiss zwischendurch, das Pausenbrot, den Heißhungerdämpfer am Abend. Und außerdem ist es - wie so vieles bei mir - mit positiven Kindheitsgeschmackserinnerungen verbunden.

Jahrelang hatte ich keinen gegessen und ihn selbst im Hotel gemieden - aber als ich kürzlich vor dem Dauerkäseregal stand, blinkten mich die goldgelben Aluverpackungen des Sangerhäuser Käsewerks unwiderstehlich an. Ich griff zu, unter Wasabis spöttischem Blick. Ihrem Hinweis "Das ist doch kein Käse" will ich gar nicht widersprechen.

Es handelt sich um ein Gemenge aus Käse, Butter, Milcheiweiß. Wasser und Schmelzsalzen. Je nach Sorte sind dann noch Champignons, Tomatenmark, Schinkenstücke und Gemüsespuren eingearbeitet. Und keine Aromazusätze, weder natürlich, künstlich noch naturidentisch, wie sie sonst überall aus der Hexenküche von Holzminden zum Einsatz kommen.

Ich bin zwar kein Kind der untergegangenen DDR, aber früher gab es auch im Westen Marken, die in dieser Alufolie ohne praktischen Aufreißfaden ausgeliefert wurden. Es ist diese Sorte, die sich schon beim Öffnen in streifige Fetzen zerlegt. Und sollte das nicht passieren, ist es praktisch unmöglich, die kremige Masse herauszukratzen, ohne die Packung vollkommen zu zerknittern. Bisweilen verfrachtet man unbemerkt kleine Alustücke auf's Brot, was dann beim Kontakt mit der Amalgamfüllung für überraschende Schockeffekte sorgt.

Das aber ist das Produkt aus der Käsefabrik des leider ansonsten recht uninteressanten Städchens allemal wert. Sogar Wasabi begann, sich Brote mit dem Champignon-Schmelzkäse nicht nur zu schmieren. Sie aß sie auch noch auf.

Gefunden im Kaufland Lichtenberg im Victoria-Center.

Sonntag, 5. Oktober 2008

Versnobte Currywurst mit Besuch

Currywurst im KaDeWeWas eine echte versnobte Wurst ist, lässt sich natürlich nur unverstümmelt servieren!

Die Currywurst bei Konnopke ist ein Muss. Wenn man denn eine bekommt. Am Samstag stand eine kilometerlange Schlange vor der Bude an der Schönhauser Allee, FC-Union-Fans und Touristenpulks blockierten den Zugang zur angeblich besten Wurst der Stadt. Keine Freude bei Nieselregen und kaltem Wind. Also zogen wir mit unserem Wochend-/Feiertagsbesuch wieder ohne Mahlzeit ab.

Im 6. Stock des KaDeWe (wo soll man auch sonst mit dem Hauptstadtbesuch bei Regenwetter hin) gab es heute dann endlich die ersehnte Currywurst. Ich habe den Vergleich und sage: sie ist nicht schlechter als der Kult vom Prenzlberg, die Soße kann locker mithalten. Was fehlt: das Rumpeln von U2 und Tram, der pfeifende Ostwind, der Duft der Autoabgase.

Ganz dem Edelambiente angemessen wird das darmlose Stück auf feinem Porzellan mit Besteck gereicht. Deshalb ist es vermutlich auch nicht vorgeschnitten. Die dazu gereichten Brötchen sind frisch und knusprig (und kosten natürlich extra). Für 2,50 Euro plus 80 Cent fürs Brötchen kein billiger aber wohlschmeckender Spaß. Der Besuch meinte jedenfalls: "Hat super geschmeckt".

Sonntag, 21. September 2008

Kreuzberger Burgerbude zum Fingerlecken

Ein Hamburger mit Speck und Neuland-Biofleisch - in Kreuzberg heißt er KreuzburgerEin Kreuzburger-Bild sagt mehr als tausend Worte

Was soll man über Hamburger noch groß sagen, denn kulinarische Wunder sind nicht zu erwarten. Dennoch wurden sie bereits mehrfach filmisch gewürdigt - wo sie Menschen aus der Form bringen (Supersize me), Gegenstand von Amokläufen sind und Killern Gesprächsstoff bei der Arbeit liefern ("Ich liebe den Geschmack eines guten Burgers!").

Mit solchen Geschichten kann ich nicht mithalten. Darum heute in aller Kürze unser Berlin-Fleischklopstipp: Sehr gute Hamburger, konventionell oder mit Neuland-Biofleisch (+70 Cent pro Burger), gibt es bei Kreuzburger. Mit einigem Fleischhunger besuchten wir heute das Stammhaus in der Oranienstraße 190 (Nähe Mariannenstraße). Wir wählten aus den zahlreichen Varianten je einen "Kreuzburger" (mit Speck) zu 3,90 Euro. Bemerkenswert waren die Soße, das saftig gebratene Bio-Fleisch, die essgerechte Größe. Panikanfälle wie beim Anblick der Fleisch-Käse-Salat-Monster im "The Bird" am Falkplatz sind nicht zu befürchten.

Ein Teller handgemachte Kartoffelschnitze mit je einem Klecks Pommes und MayonaiseHandgeschnitzt kann richtig toll sein.

Als Beilage nahmen wir gemeinsam eine Portion "House-Pommes" (2,50 Euro). Die kosten zwar 90 Cent mehr als die Standardware, sind aber handgeschnitzt und schmackhaft. Mayo und Ketchup holt man sich selbst aus dem Pumpeimer an der Essensausgabe. Wasabi trank noch einen Capuccino (1,80 Euro), der mit Wegschlonz-Qualität glänzte (Gluck-Gluck-und-weg).

Prädikat: Absolut empfehlenswert, auch wenn die Möbel im Gastraum eine gewisse Sperrmüllanmutung verströmen.

Die guten Burger gibt es auch in der Pappelallee 19 (Prenzlauer Berg) - mit äußerster Zufriedenheit bereits von den Berliner Fressen getestet.

Sonntag, 14. September 2008

Leckere Schinken und stumpfe Messer in der Blauen Ente

Derzeit liefern sich die Berliner Zeitung und dieses Blog ein Kopf-an-Kopf-Rennen, wer zuerst DIE THEMEN "ins Blatt" bzw. "auf die Webseite" bringt. Vergangene Woche etwa stellten die Zeitungsmenschen zutreffend fest, dass guter Kuchen in dieser Stadt nicht eben leicht zu finden sei ("Hiesige Backformen", 5. September 08, S. 23. Leider nicht online verfügbar) - was Wasabi allerdings schon lääängst öffentlich diskutiert hatte.

Blaue Ente BlankenfeldeIn der aktuellen Wochenendausgabe waren die Zeitungsschreiber mit ihrer Rezension zur "Blaue Ente" schneller. Aber nur wegen meiner Schreibfaulheit nach unserem Frühstück in der "Ente" an einem der letzten Wochenenden. Dabei hinterließ die Gastwirtschaft am Berliner Stadtrand (Blankenfelde, Schildower Straße 3, Tel. 913 11 11) einen durchaus beschreibenswerten Eindruck.

Schon bei der Anfahrt muss man aufpassen, dass man nicht in eine Gänseherde rauscht, die vor dem Eingang patroulliert. Vorsicht: die Tierchen sind ziemlich wehrhaft. Auf Annäherungsversuche mit der Kamera reagieren sie mit Fauchen, Flügelschlagen und aggressivem Geschnatter.

Gänse greifen anIn Blankenfelde kann der unvorsichtige Fotograf ganz schnell unter die Gänse kommen.

Wir schoben uns vorsichtig am Federvieh vorbei in den Biergarten und betraten ... eine Garage. Ja. Eine Garage, durch weißen Stoffbehang kaum zu als solche zu erkennen, geschmückt mit Teppichboden, Luftschlangen, Lichterketten und Lamettapalmen. Darin saßen Pulks der Generation 50+ im feinsten Sonntagsstaat an den Tischen. Umsäuselt wurde die Szenerie von den lieblichen Klängen deutscher Schlager.

KäseplatteIch habe jetzt auch keine Idee - aber könnte man so leckere Käse nicht ein bisschen netter darbieten?

Das Brunchbüffet war recht umfangreich mit warmen Gerichten (Schweinebraten, Gulasch, Lasagne, Brokkolie, Reis, Kartoffeln) und nicht ganz billigen und interessanten Käsesorten bestückt. Letztere waren aber einfach nur lieblos hindrapiert und wie man mit diesem Messer den Parmesan aufschneiden soll, muss mir nochmal jemand erklären. Die Salatabteilung simulierte Vielfalt: gefühlte sechs Schüsseln mit dem gut gemachten aber in der Masse etwas eintönigen Waldorf- und Mayonaise-Kartoffelsalat.

Wildschweinschinken hausgemachtDas nächste Mal bringe ich mein eigenes Messer mit. Dieser famose Wildschweinschinken hat nur wirklich keine stumpfen Klingen verdient.

Toll hätte die beiden Schinken sein können. Wenn denn der Wirt seinen Gästen ein scharfes Messer gönnte. So säbelte ich mühsam mit der stumpfen Klinge viel zu dicke und faserige Fleischstücke von den beiden Wild- und Hausschweinkeulen herunter. Das Ergebnis sieht nicht nur unhygienisch und unästhetisch aus, dünne Scheiben schmecken auch besser. Warum der Wirt das Fleisch nicht tellerfertig aufschneidet, bleibt sein Geheimnis.

Insgesamt sah das ganze Büffet schon etwas zerrupft aus, als wir gegen 11 Uhr ankamen. Die Schokomousse war so gut wie alle. Sie wurde nicht nachgefüllt, wie auch die Schüsseln mit dem sehr guten Rührei (mit und ohne Speck) . Motto: Was weg ist, ist weg. Dafür wurden wir per Krächzmikro vom DJ-Pult noch auf den Wildschweinbraten hinwiesen, der in unserer Runde aber keine Tester mehr fand. Wir waren nämlich schon beim Nachtisch und löffelten eine recht fade und etwas zu flüssige Rote Grütze.

Zum Frühstück (Preis: 7,50 Euro pro Person) tranken wir Brühkaffee (ok, aber eben Brühkaffee). Aber nur, weil wir angenommen hatte, er wäre im Preis inbegriffen. Denn als wir Platz nahmen, stellte uns die Bedienung ungefragt eine Thermoskanne auf den Tisch. Natürlich muss der Kaffee extra bezahlt werden. Zu entnehmen ist das einem A4-Zettel an der Tür zur Gastwirtschaft. Aber den sieht man erst gar nicht, wenn man die Frühstücksgarage auf direktem Weg durch den Biergarten ansteuert.

So hinterlässt die Blaue Ente mit ihrem Frühstücksbuffet einen eher zwiespältigen Eindruck. Den Testern der Berliner Zeitung ging es bei ihrem Essensbesuch ähnlich. Die fanden das Essen gut, aber manches lief auch bei ihrem Besuch auch nicht so richtig rund.

Die Qualität der angebotenen Sachen schwankt zwischen naja und sehr gut und richtet sich an Fleisch-Gemüse-Kartoffeln-Esser der Zielgruppe 50+. Bemüht und freundlich ist das Personal. Leider versäumt es, einen darauf hinzuweisen, dass die Kanne Kaffee eine ordentliche Stange Geld kostet. Am Ende zahlten wir im Durchschnitt 15 Euro pro Person. Dekoration und Musikuntermalung waren eher grenzwertig - aber für einen Brunch lässt sich das auch mal aushalten, wenn der Rest stimmen würde.

Essentafel Poularde nach Christian RachVielleicht besuchen wir die "Blaue Ente" mal zu Abend, bestellen die "Poularde nach Christian Rach" (Chapeau dem Retter!) oder einen Gänsebraten. Der soll ja, wie die Berliner Zeitung schreibt, "den Gaumen freuen". Das Frühstücksbuffet muss nicht mehr sein. Aber ein schönes Frühstück á la Carte ist in der Regel sowieso fast überall die bessere Wahl. Oder was meint Ihr?
Doch das ist, frei nach Michael Ende, ein Geschichte, die ein andermal erzählt werden soll.

Update 17.9.: Die Umfrage "Brunchen in der Gaststätte - absolutes Muss oder Knieschuss?" musste vorzeitig beendet werden. Denn der verwendete Onlinedienst ließ jedesmal ein Werbefensterchen aufpoppen. Und das wollen wir doch nicht, oder?

Das Umfrageergebnis (drei! abgegebene Stimmen): zwei Besucher gaben an, nie frühstücken zu gehen, einem reicht ein normales Frühstück ohne Brunchbuffet mit Freunden.

Montag, 8. September 2008

Milchreis mundet besonders gut ...

... wenn man ihn vor dem Verzehr durch ein saftiges Steak ersetzt.

Jetzt frage ich mich, ob nur ich diesen Spruch wieder nicht kannte (siehe Umfrage rechts).


Update (14.9.08):


Ich bin nicht allein! Ein schönes Gefühl. Danke an alle Umfrageteilnehmer. Auch an die, denen die Frage eigentlich wurscht war.

Samstag, 6. September 2008

Wasabi allein zuhaus

Fischstäbchen und Nudeln mit Krümel-EiHätte ich einen Fernseher, würde ich ihn heute einschalten


Was kocht und isst eigentlich die zuhause gebliebene Hälfte eines Koch-und-Essensblog-Duos, wenn die andere Hälfte gerade geschäftlich unterwegs ist (und sich mit Karpfen den Bauch vollschlägt)? Probiert sie aufwendige neue Rezepte aus? Leider nein. Kocht sie sich endlich die Polenta, die GutesEssen nicht mag? Mitnichten.

Sie isst Reste. Wenn keine mehr da sind, isst sie Sachen, die in normalen Zeiten nicht unter die Rubrik "Kochen" fallen. Zum Beispiel Fischstäbchen, mit Ketchup. Oder - altes Familienrezept - Nudeln mit Krümel-Ei. Oder Reis mit Butter, Tomatenmark und einem Spritzer Sojasauce. Dabei leistet ihr das Radio (Deutschlandradio Kultur oder Deutschlandfunk) Gesellschaft, aber nur, weil wir keinen Fernseher haben. Das Internet weniger, weil der Laptop keine Fernbedienung hat.

Und sie wundert sich. In Zeiten vor der Verpaarung habe ich nämlich anders gegessen (und, machen wir uns nicht vor, jahrelang nur Nudeln mit Krümel-Ei hielte auch kein Mensch aus). Ich habe Rouladen mit Rotkohl gekocht, indische Curryrezepte ausprobiert, nur für mich Kuchen gebacken und Kekse, Marmelade gekocht und sogar einmal Ravioli gefüllt (das muss ich unbedingt mal wiederholen: Füllung aus Thunfisch, dazu Tomatensoße). Jahrelang war ich in der Lage, nur für mich Zeit und Mühe aufzuwenden, um abwechslungsreich zu essen. Und nun, Verpaarung - zack - totale Verlotterung. Gestern Abend gabs wenigstens Gemüsepfanne mit Reis, war allerdings fast dasselbe wie vorletzten Abend - Gemüsecurry mit Reis.

Heute zum Abendessen leistet mir GutesEssen wieder Gesellschaft, da könnte ich ja eigentlich was schönes kochen. Oder es gibt Nudeln mit Krümel-Ei, aus Rache für den Karpfen, harhar.

Nudeln mit Krümel-Ei oder Spaghetti Carbonara norddeutsch-brutal
(eine Portion, was sonst?)

- gekochte Nudeln, gerne Reste
- Butter
- Salami, Chorizo oder Speck oder Schinken oder etwas Ähnliches, gewürfelt
- eine saure Gurke, gewürfelt
- ein Ei
- etwas Sahne oder Milch
- eventuell etwas geriebener Käse
- Salz, Pfeffer

Nudeln in Butter anbraten, leicht bräunen lassen. Salami- und Gurkenwürfel untermischen und kurz mitbraten lassen. Das Ei mit Sahne oder Milch und eventuell geriebenem Käse verrühren, würzen. Zu der Nudelmischung gießen, rühren und stocken lassen. Merke: Krümel-Ei muss trocken sein!

Der erste Karpfen ist immer der beste

Nach vielen r-losen Monaten haben wir endlich Septemberrrrrr. Für die meisten ist das vollkommen bedeutungslos, in meiner Heimat allerdings für viele Menschen ein fieberhaft erwartetes Datum. Denn am 1.9. beginnt die Karpfensaison, im Mai (wer findet hier ein "r"?) ist sie beendet. Ich weiß, ich wiederhole mich. Aber diese Woche durfte ich zur Weiterbildung in die fränkische Heimat reisen, und die ganze Zeit murmelte mein Unterwusstsein mit leisem Stimmchen "Karfen... Karpfen... Karpfen..." (usw.). Irgendwann war da nichts mehr mit zartem Drang zum Backfisch, eine machtvolle Stimme brüllte im vorderen Stirnlappen "KARPFEN KARPFEN KARPFEN KARPFEN" (usw.).

Ich gab dem Geschrei nach und stattete dem Zenntaler Hof in Adelsdorf (Mittelfranken) einen Besuch ab. Mit einem halben gebackenen Karpfen, Salat und ordentlich Ingraisch für die Oma (11,30 Euro für alles!) im Gepäck kam ich zurück und dann schlugen meine Großmutter und ich uns ordentlich den Bauch voll.

Gebackener Spiegelkarpfen auf Teller, Ingraisch, Kartoffelsalat und anderer Salat in einer TransportverpackungVor zwanzig Minuten schwamm er noch munter wie ein Fisch im Wasser. Mein erster Karpfen der Saison.

Das Foto macht zugegebermaßen nicht viel her, aber Oma hat nur Funzellampen in der Küche und meine Hand zitterte auch ein wenig (vor Gier?). Also Blitz und gut. In ganz Berlin dürfte man keinen so zubereiteten frankischen Spiegelkarpfen bekommen. Wer mir bis 30. September 2008 das Gegenteil beweist, dem übereigne ich unverzüglich zwei Dosen mit original fränkischem Bratwurstgehäck und ewige Dankbarkeit. Versprochen.

Wasabi, die in Berlin bleiben musste, wird jetzt mit wundem Blick auf diesen Artikel blicken. Und innerlich bestimmt ein klein bisschen über mich schimpfen, über meinen Karpfenegoismus, und dass ich das jetzt auch noch, wie fies, ins Blog stelle. Aber sie hätte, und daran zweifle ich keinen Augenblick, an meiner Stelle nicht anders gehandelt. Nicht handeln können. Bestimmt.

Mittwoch, 3. September 2008

Geschmacksverstärker

Es ist ja bekannt, dass man nicht nur mit Gutem, Wahrem, Schönem Werbung machen kann. Das ist in der Reklamewelt spätestens seit den umstrittenen Anzeigen von Benetton in den Neunzigern bekannt und kann heute in den Sportschau-Pausen wieder hervorragend anhand der Hornbach-Spots verfolgt werden. Und Kinder kriegt man ja auch gut mit soften Schock-Effekten rum. Aber ob das, was sich Aldi da gerade ins Regal gehievt hat, wirklich zu seinen Adressaten findet?



Wohl nicht, denn sonst würden die Kartons nicht seit Ewigkeiten im Grabbelregal lümmeln. Dabei hatte die nette Person, welche die produktgewordene Tragödie beschriften musste, sich noch bemüht, wenigstens den männlichen Teil der potenziellen Käuferschaft zu ködern, indem sie versuchte, Assoziationen mit englischen Bierlokalen zu wecken.

Ich hatte dann auch nicht mehr den Mut, den Inhalt zu verkosten. Man möchte ja nicht vier Euro rauswerfen, um dann festzustellen, dass das, was draufsteht, auch noch drin ist. Und: Was so riecht, wie mag das wohl schmecken?

Montag, 1. September 2008

Loyalitätsprobleme bei Fachverkäuferinnen

Das mangelhafte Backwerk wird hier wohl ein ständig wiederkehrendes Thema. Unser täglich Brot gib uns heute, heißt es ja auch schon im christlichen Betkanon. Kuchen ist eigentlich Luxus. Aber wenn schon Luxus, dann sollte er auch munden. Süß allein reicht nicht.

Jetzt fand ich heraus, dass Verkäuferinnen durchaus meine Meinung teilen. Wie beim Bäcker letzthin. Ich (etwas vorwitzig, man kennt sich ja) mit Blick auf die Zuckergussbomben in der Vitrine: "Also in Sachsen oder im Süden - da ist der Kuchen einfach besser." Sie: "Da haben Sie recht. Ich könnt ja zum Belegschaftspreis kaufen. Aber das ist mir noch zu teuer für diese Sachen. In Thüringen, ja da gibt es tollen Kuchen." Wenn das der Bäckermeister hören würde. Dann sollte er mal über seine Produkte nachdenken. Wahrscheinlich würde er aber eher seine Angestellte an die Luft setzen.

Noch besser kam es letzte Woche - zur Abwechslung diesmal in der Fleischerei. Fast schon ein Fall von Verbalsabotage. Mindestens eine Abmahnung, wenn nicht sogar die fristlose Kündigung wäre die unvermeidliche Folge dieses Akts der Illoyalität gewesen. Wenn es der Chef gehört hätte. Hat er aber glücklicherweise nicht. Wir waren allein im Laden, die Verkäuferin verkauft also immer noch. Ich frage nach Kalbsschnitzel. Gibt es nicht. Sie etwas abschätzig: "Das ist den Leuten hier zu teuer. Das kaufen die nicht." Ich nehme also Schwein. Na ja, zur Not. Wir fachsimpeln ein bisschen über Kalb und Lamm und dass man da ruhig ein bisschen mehr ausgeben darf. Gutes Fleisch hat eben seinen Preis. Da kann sie sich nicht mehr halten und platzt mit Einkauftipps heraus. Wo sie immer einkauft. "Der beste Schlachter, den ich kenne!" Sonnenallee, im türkisch-arabischen Supermarkt. So hervorragendes Fleisch. "Unser Lamm kann da nicht mithalten und kostet mehr als das Doppelte." Und wie die ihre Sachen am Abend wegräumen. So sauber, "ich seh als jemand vom Fach ja besonders hin. Da könne sich hier mancher deutsche Schlachter 'ne Scheibe von abschneiden." Hui. Das war fast etwas mehr Information als ich eigentlich haben wollte. Ich nehme meine beiden blassen Schnitzelchen und verabschiede mich. Sie sah richtig glücklich aus, als sie mir noch einen guten Tag wünschte.

Noch ein prominenter Werderaner

Tut mir Leid, als alteingesessener Brandenburger kann ich natürlich nicht schweigen, wenn die Berliner Außenstelle unseres Blogs das Havelnest Werder auf Obst und Besäufnisse reduziert. Im Berliner Umfeld sind - das steht zumindest mit dem Obst in Beziehung - die Werderaner Obstsäfte in gut sortierten Regalen zu bekommen. Einen wesentlich größeren Verbreitungsradius hat hingegen jener nicht genug zu preisende Werderaner:



Er gehört zu jenen, für die man vor 1989 extra nach Berlin fuhr und für die man auch heute noch einen Umweg in Kauf nimmt. Bekannte, die es weit in den Westen verschlagen hat, versäumen es nicht, sich regelmäßig auf Osttouren den Kofferraum damit vollzupacken. Selbst das sonst eher dem Elitären verhaftete Magazin der Süddeutschen Zeitung ließ sich vor einigen Jahren zu einer wahren Hymne auf den Werderaner Tomatenketchup hinreißen. Er schmecke schlicht und einfach nach Tomaten und habe eben das aller Konkurrenz (auch aus dem Ausland) voraus.

Seine Brüder, der Gewürz- und der Curryketchup, sind zwar nicht ganz so mehrheitsfähig, aber ebenfalls in puncto Preis-Leistungverhältnis schwer zu schlagen. Also, solange die Grillzeit noch dauert: zugreifen! Und Werder in guter Erinnerung behalten.

Sonntag, 31. August 2008

Schwäbischer Kuchen aus Berlin in Werder an der Havel

Für den guten Großtstädter ist der motorisierte Sonntagsausflug fast so etwas wie eine heilige Pflicht. Idealerweise staut man sich in Kolonne mit tausenden anderen B's Richtung Umland, um dort die TF's, PM's und HVL's mit penetranter Sonntagsfahrerei in den Wahnsinn zu treiben. Diesmal beeehrten wir Werder an der Havel, gleich links bzw. westlich von Potsdam. Das Städtchen ist bekannt für sein Obst und berüchtigt für sein als Baumblütenfest getarntes Brandenburger Massenbesäufnis im Frühjahr. Heute war es eher ruhig. Bis der Obstwein wieder in Kubikmetermengen durch die Kehlen fließt, sind noch 236 Tage Zeit für beschauliche Werderausflüge. So stolperten wir durch die fast leeren Kopfsteingassen der Inselstadt, genossen einen herrlichen Blick über die Havel und ließen uns den warmen Wind um die Nase pusten. Das macht bekanntlich hungrig auf Süßes. Wir entschieden uns gegen die Cafés am Ufer und fanden das Café Olive am Markt recht einladend. Der Kuchen: hervorragend! Kein Vergleich mit der lieblosen Massenware, die uns hier in Berlin leider viele Vertreter des Bäckerhandwerks zumuten.

Käse Waldfrucht vom BeckerMann in Werder an der HavelKlasse Kuchen. Aber wieder mit süddeutschen Wurzeln.

Dieses Stück Käse-Waldfrucht (alle Kuchen kosten 2,80 Euro) mundete so gut, dass ich fast vergessen hätte, rechtzeitig ein ausdruckstarkes Porträt anzufertigen. Zum Aprikosenkuchen mit Schmand gibt es nichts anderes zu sagen: frisch, vollmundig, lecker, nuancenreich im Geschmack. Dazu ein Capuccino ohne Fehl und Tadel. Wie übrigens auch die überaus freundliche Bedienung. Im Café verkauft die Wirtin allerlei Leckereien aus Ligurien, zum Beispiel handgepresstes Olivenöl, Wein und Soßen. Das Gebäck - "handgebacken" steht in der Karte - lässt sie ebenfalls liefern.

Aprikosenkuchen mit SchmandInnerlich gratulierten wir den Werderanern schon zu ihrem Glück. So einen Bäcker in so einer kleinen brandenburgischen Stadt - das hat fast was von sechs Richtigen im Lotto. Doch dann die Auflösung: der Kuchen kommt aus Berlin vom BäckerMann am Südwestkorso. Zufälligerweise wurde der uns erst die Tage wärmstens empfohlen. Nach dieser Blindverkostung können wir den Tipp also grundweg unterschreiben. Aber es erhärtet leider auch den Verdacht, dass die einheimische Feinbäckerei nicht gerade zu den Spitzenproduzente im Land gehört. Denn der Bäcker-Mann ist natürlich wieder mal ein Zugereister, der sein Handwerk in Schwaben (wo genau, verrät er uns nicht) gelernt hat.

Samstag, 30. August 2008

Hausgemachte Sülze - der Versuch einer Annäherung

Seit ungefähr zwei Jahren versuche ich mich in unregelmäßigen Abständen an der Produktion von Sülze, genauer gesagt: essbaren Dingen mit Aspik drumherum. Und: das Ergebnis wird jedesmal besser. Manche halten das ja für ein Rentneressen, ich halte es für eine sehr unterschätzte Delikatesse. Gut, die Konsistenz ist nicht jedermanns Sache. Es wabbelt manchmal eben ein bisschen. Und auch die klassische Zubereitung mit Schweins- und Kalbsfüßen, wie es mein Kochbuch der Eugenie Erlewein vorschlägt, dürfte manchem in Zeitalter von Synthetikmampf recht gruslig vorkommen.

Man kommt ja nicht so gern mit den sterblichen Überresten von Tieren in Berührung, deren Funktion noch deutlich sichtbar ist. Kleine Rüsselchen mit Steckdosennasen, Ringelschwänzchen, ganze Nieren und solche Sachen... Die Gelatine ist nämlich nichts anderes als tierisches Eiweiß aus Bindegewebe und Knorpeln. Keine schöne Vorstellung. Andererseits: wer sich einen Burger reinknallt oder püriertes und anschließend frittiertes Hühnerfleisch ("Chickennuggets") verspeist, isst das Zeug in versteckter Form ebenfalls mit.

Warum also nicht pur verwenden? Denn die Gelatine hat die tolle Eigenschaft, sich im Mund sofort aufzulösen und den darin gebundenen Geschmack mit einem Schlag freizugeben..Schade, dass Wasabi sich nicht so richtig dafür begeistern kann. Sie mag eher bissfeste oder knusprige Sachen, auch Soßen möchte sie eher sparsam eingesetzt sehen. Hat auch Vorteile. Dieser Block Sülze vom vergangenen Wochenende gehörte mir fast komplett alleine.

Sülze selbstgemachtMeine dritte Sülze: Diesmal hatte ich endlich richtig gesalzen.

Wie bereitet so was zu? Was der Glibber umhüllen soll, ist eigentlich egal. Das kann gekochtes Fleisch sein, Gemüse, Fisch, Hauptsache es lässt sich gut schneiden. Ich verwende immer eine Brühe als Grundlage und Gelatineblätter aus der Packung. Die Hausfrauenmethode meiner Frau Erlewein (mit ihrem geschätztem Kochbuch konnten wir bereits unsere Semmelknödel perfektionieren) ist mir doch zu aufwendig. Denn wo bekomme ich Kalbsfüße und Ochsenfleisch her? Wer es ausprobieren möchte - bitte schön:
Grundrezept nach E.E. (Hauswirtschaftslehre, 14. Auflage, 1952)

Zutaten: 1. Kalbsfuß. 1/2 Schweinsfuß. 1/4 Kilo mageres Ochsenfleisch, 1,5 bis 2 Liter Wasser, 1 EL Salz, Suppengrün, Zwiebel mit Schale, 1 Zitronenscheibe, 1/4 Lorbeerblatt, 2 Pfefferkörner, 2 EL Wein (Madeira)

Die Füße im Wasser aufkochen, abschäumen, Gewürze dazugeben. Dann im gut geschlossenen Topf 2 bis 3 Stunden kochen, bis nur noch 1/4 der Flüssigkeit übrig ist. Dann gibt man das Ochsenfleisch durch den Wolf, übergießt es mit 3/8 Liter kaltem Wasser und lässt es 2 Stunden stehen. Dann gießt man die Kalbsbrühe dazu, lässt alles unter Rühren noch einmal aufkochen. Alles durch ein Passiertuch gießen und die Sulz in der Kälte stehen lassen.
Dringend abraten würde ich von Agar-Agar als pflanzlicher Ersatz. Dieses Algenzeug riecht in warmen Zustand recht eigenartig und die daraus entstehende Sülze ist sehr spröde und schmilzt nicht so angenehm. Außerdem kann man keinen "Spiegel" gießen, also eine Schicht Aspik erkalten lassen, Sülzgut auflegen und dann die nächste Lage flüssige Gelatinesoße darüber geben. Mit Agar-Agar-Glibber verbinden sich die Schichten nicht.

Also nehme man eine gut geklärte Gemüse- oder Fleischbrühe und salze diese sehr kräftig. Dann gebe man nach Geschmack guten Essig dazu (bitte nicht den für 50 Cent aus dem Putzregal), Weißwein und koche die Flüssigkeit auf. Für einen halben Liter nehme man mindestens zehn Blatt Gelatine, die man nach Vorschrift einweicht und dann in die nicht mehr kochende Brühe einrührt.

Diesmal nahm ich als Brühe das Kochwasser eines Schinkeneisbeins und zweier Rippchen und verbesserte es mit etwas Kalbsfond. Zwei dünn geschnittene Schalotten ließ ich kurz in der Brühe mitsieden und gab dann die Gelatine dazu.

Das weichgekochte und klein geschnittene Fleisch gab ich mit ein paar sauren Gurken in eine ganz gewöhnliche Kastenbackform. Dann die Brühe mit den Schalotten dazu, nochmal durchrühren und dann so bald wie möglich in den Kühlschrank. Am nächsten Tag hat man einen schönen kompakten Block.

Ich finde allerdings, dass die Sülze ruhig etwas liegen kann - dadurch wird sie noch fester und runder im Geschmack. Aus der Form stürzen, mit einem scharfen Messer in Scheiben schneiden und genießen. Mein Tipp: Bratkartoffeln, Spiegelei und etwas Remoulade - dann weißt du, wo Gott in Deutschland speist.

Saisonwechsel

Heute gleich zwei Gründe zum Freuen:

1. Die Pilzsaison hat begonnen.

HasenbovistEin Hasenbovist und eine Ziegenlippe aus dem Wald nahe dem Rangsdorfer See.

2. Nur noch 115 Tage bis Weihnachten.

Herzen, Brezeln, SterneHerzen, Brezeln, Sterne oder kurz HeBreSte im Kaufland Lichtenberg.

Montag, 11. August 2008

Sushi ist eben nicht gleich Sushi

Einer der anstrengendsten Aspekte des Umziehens, mal vom körperlich Anstrengenden wie dem Transport von Küchenarbeitsplatten abgesehen, ist die erzwungene Aufgabe alter Gewohnheiten. Ohne die geliebten Routinen fühlt der umgezogene Mensch sich nackt und bloß, geworfen in einen unübersichtlichen Strudel von Möglichkeiten, überfordert von Entscheidungen. Um hier nicht unterzugehen, sind neue lebensentlastende Routinen vonnöten, die sich meistens schon ohne großes eigenes Zutun nach kurzer Zeit am Horizont zeigen und vom tendenziell reizüberfluteten Neu-Hauptstädter (also mir) dankbar geentert werden.

Der Einkauf von Bekleidung und anderen Dingen, der sich nicht im Nahbereich erledigen lässt, ist immer noch so eine Expedition in unbekanntes Terrain. Folgerichtig habe ich bisher sogar den Kauf von Socken auf meine Besuche in Leipzig verschoben. Aber erstens sind jetzt Semesterferien und zweitens muss das ja irgendwann mal anders werden - und, siehe da, erste Gewohnheiten stellen sich ein! Die Einkaufsstraßen der sogenannten "City West" ergeben langsam eine einigermaßen kohärente innere Landkarte und werden gewöhnlich von West nach Ost durchschritten. (Kleine Abschweifung: Der Mythos der "Berliner Schnauze" wurde ohne Zweifel in jenem Gebiet zwischen Bahnhof Zoo, Tauentzienstraße und Wittenbergplatz geboren. Hier arbeiten ganz entzückende ältere Verkäuferinnen, die haben sogar den loriotesken Klassiker "Hat er die Jacke denn schon anprobiert?" im Repertoire, während der so zum Objekt degradierte "er" direkt daneben steht. Abschweifung Ende.)

Die Vorgehensweise von West nach Ost hat den Vorteil, dass sie am Wittenbergplatz endet. Ist Besuch dabei, geht man dann noch ins KaDeWe und danach ins Akitama. Ohne Besuch geht man sogar sofort ins Akitama.

Das Akitama ist genau das, was ich an diesem Touristenbrennpunkt niemals vermutet hätte: Ein grün-goldene Oase in der sichs angenehm sitzen lässt, mit freundlicher Bedienung, ausgezeichnetem Essen und für die gebotene Qualität angemessenen Preisen.
Vergleicht man das Akitama mit irgendeinem typischen Sushischuppen in Mitte oder sonst einem zielgruppenrelevanten Stadtteil, fällt auf, was es alles im Akitama nicht gibt - nämlich keine Animes, keine unbequemen Barhocker, keine Bionade, keine laute "hippe" Musik, kein Sushiförderband, keine ketchupähnlichen Saucen auf den Sushi, keine Majonnaise, kein Frischkäse, keine Flatrate/ zwei für eins/ happy-hour/ all you can eat-Aktionen und vor allem: keine angelernten Hilfskräfte, die irgendwie mit stumpfen Messern grob abgesäbelte Rohfischstücke auf Reisbatzen legen und das zäh-labbrig-klebrige Ergebnis als Sushi servieren.

japanische ReissuppeReissupe mit Lachs (kleine Portion)

Das Mittagsmenu zu 8,90 Euro wird im Akitama dankenswerterweise zwischen 11 und 16.00 Uhr serviert. Bei unseren ersten Besuchen war es schon später und aus mir heute unverständlichem Geiz begnügte ich mich damals mit einer Hühnersuppe (Tan-Men 5,90 Euro) bzw. beim nächsten Mal mit einer Reissuppe mit Lachs (Sake-Chazuke 4,90 Euro). Die Suppen sind gut, keine Frage, große Portionen, die jeweils frisch zusammengestellt werden.

Die Reissuppe besteht aus einer klaren Brühe, die ungeheuer frisch fischig-jodig-salzig schmeckt wie ein Schluck Meerwasser und mit gekochtem Reis, Lachsstreifen, Seetang und Kresse serviert wird. Die Hühnersuppe baut auf einer milden nicht-fischigen Brühe auf und mit der üppigen Einlage aus Weizennudeln, Hähnchenfleisch, Gemüse, Sprossen und Kresse ließ sie mich wohl gesättigt, sehr zufrieden, aber nicht überfressen zurück.

SushiauswahlSushi aus dem Mittagsmenu

Beim letzten Mal nun waren wir endlich rechtzeitig für das Mittagsmenu gekommen, bestehend aus einem grünen Tee, einer kleinen Portion der schon erwähnten Reissuppe und einer kleinen Sushiauswahl (Maki mit Lachs, Nigiri mit Thunfisch und gekochter Garnele) - und diese Sushi waren einfach eine Offenbarung! Sushi ist eben nicht nur kalter Reis und roher Fisch - das ist es, wenn es ein Laie herstellt. Diese Sushi schmecken unvergleichlich frisch und, ja, differenziert. Der Fisch schmilzt geradezu im Mund. Der Reis hält gut zusammen, ohne mundverklebend-massiv zu werden. Sogar der eingelegte Ingwer scheint mir von besserer Qualität zu sein als anderswo. Kurzum: Im Akitama habe ich an diesem Nachmittag kapiert, was der Unterschied ist zwischen einem Sushimeister und einem Aushilfskoch. Und dass das, was ich in Berlin bisher als Sushi gegessen hatte, im Vergleich bestenfalls medioker gewesen war.

Das Akitama hat damit als Referenzsushiladen meinen bisherigen Favoriten, das Sakura in Leipzig abgelöst. Und nach dem nächsten Einkaufstrip - ob nun vor oder nach 16.00 Uhr - wird es kein Halten mehr geben: Madoka-Platte, ich komme!

Update 13. August 2011 (von GutesEssen)

Seit diesem Esserlebnis waren wir über die Jahre mehrere Male im Akitama. Wenn wir uns am Ku'damm rumtrieben, endete das in der Regel mit einem Abstecher zu Sushi und Udong-Suppe am Wittenbergplatz, einmal auch mit unserem Freund Deef Pirmasens - immer zu unserer vollsten Zufriedenheit. Heute war wieder City-West-Tag; klar, dass wir wieder im Akitama einkehrten.

Ich weiß nicht, was seit unserem letzten Besuch passiert ist, aber dieses Mal war das Essen eine Enttäuschung. Natürlich ist jeder Restaurantbesuch eine Momentaufnahme, doch heute kann ich nur sagen: diese Mahlzeit steht für den Absturz von Spitzenklasse auf Asia-Imbissbuden-Niveau. Wir hatten uns Kitsune-Udon (Nudelsuppe mit gebackenen Tofu-Scheiben für 5,90 Euro) und Tenpura-Udon (Nudelsuppe mit Gemüse und frittierter Garnele, 7,90 Euro) bestellt. Die Udonsuppe mit der frittierten Garnele hatte ich schon mehrmals gegessen - aus gutem Grund. Es war immer ein Genuss an Frische und Geschmack.
"Die Qualität der Zutaten ist jedoch mindestens genau so wichtig. Um dies zu gewährleisten, verwenden wir ausschließlich frisches Gemüse der Saison."
heißt es unter anderem in der Speisekarte und gleichlautend auch auf der Webseite. Da legt der Chef die Messlatte schon von sich aus sehr hoch...

Das frische Gemüse waren diesmal ein paar lieblos über den Nudelhaufen gestreute Möhrenraspeln, sowie geschnippelte Streifen Eisbergsalat und Radicchio. Die zwei Garnelen sahen aus und schmeckten wie aus der Imbiss-Friteusenbox, ganz anders als ihre Vorgänger der letzten Jahre. Was die Gummitintenfischringe in Backteig (ebenfalls verdächtig synthetisch)  in der Suppe verloren hatten - ich weiß es nicht. Sollte hier Masse die fehlende Klasse ersetzen? Dazu gab es noch einen ebenfalls frittierten Batzen aus einer süßlich-geschmacksarmen Gemüsemasse, wovon ich beim besten Willen nicht mehr als einen Bissen herunter bekam. Die sojabraune Brühe schmeckte vor allem salzig (habe immer noch Durst!), auch hier ließ ich das meiste übrig. Wasabi ging es nicht anders - sie ließ fast die ganze Schale stehen.

Wir hatten noch die Madoka-Sushiplatte (Nummer 101 auf der Karte für 11,80 Euro) mit sechs Maki- und vier Nigiri-Sushi. Sie war ok, aber auch nicht mehr - vielleicht war mein Gaumen vom Salz der Brühe noch zu sehr betäubt.  Zudem war das helle Tucher-Hefeweißbier aus, dem ersatzweise bestellten Warsteiner fehlte die Spritzigkeit (früher gab es auch Tuborg, wenn ich mich nicht täusche).

Herr Toyasawa: was ist aus ihrer Kochkunst geworden? Wir hatten uns so auf Ihr Essen gefreut und gingen wie entäuschte Liebhaber. Schade um das schöne Geld.

Mittwoch, 30. Juli 2008

Caffè Freddo, der perfekte Abkühlkoffeinquickie

Wenn die Hitze unablässig auf die Schläfen drückt, trinkt man natürlich aus Vernunft und Gutgläubigkeit brav weiter seinen Tee, sehnt sich aber still im Inneren doch nach was richtig Kaltem. Da auch Gutes Essen mit Malzbierproben und verwegenen Cocktailmischungen mit diesem Bedürfnis heftig zu ringen scheint, ist es höchste Zeit für meinen intimen wie langährigen kleinen Abkühlungsfreund - den Caffè Freddo. Natürlich nicht teuer (Ausnahme: Italien) von der Bar, sondern aus der heimischen Produktion, also in der Lieblings-, das heißt Sparversion.

An anderer Stelle findet man zwar wesentlich aufwändigere Rezepturen mit Milch, Schlagsahne, Amaretto und ähnlichem Firlefanz, aber die eignen sich tendenziell eher zum Eindruckschinden bei Gästen denn als belebender Quickie. Mein "Kalter" sollte schnell zu machen und zu genießen sein. Die unverzichtbaren Zutaten:
2 TL Espressopulver
100 ml Wasser (flüssig)
100 ml Wasser (fest als Eiswürfel)
1 gehäufter TL Zucker
Und so einfach wird's gemacht. Man brüht sich einen frischen Espresso auf und nimmt derweil einen Shaker zur Hand. In den lässt man drei kleine oder zwei größere Eiswürfel klickern und lässt ihnen einen gehäuften Teelöffel Zucker hinterher rieseln. Der fertige, noch brandgefährlich heiße Espresso wird drauf gegossen und der (verschlossene!) Shaker so lange geshaket, bis das Klickern darin verklungen ist. Dann wird das ganze sofort in ein kleines Glas (ca. 250 ml) gegossen. Erfahrungsgemäß eignen sich dafür perfekt Gläschen, die man mal irgendwann aus Versehen im LCB mitgenommen hat.

In der nächsten halben Minute wird man Zeuge des beeindruckenden Naturschauspiels, wie sich Kaffee und fester Schaum in etwa gleichen Teilen sauber übereinander schichten. Um das italienische Feeling zu erhalten, trinkt/schlürft/löffelt man das Kleinod am besten im Stehen, auf ein etwa in Brusthöhe liegendes Regal o.ä. gestützt. Wer sich dann nicht wieder erholt mit "Pronto!"-Gebrüll auf die Arbeit stürzt, sollte vielleicht lieber beim oben genannten Malzbier bleiben.

Montag, 28. Juli 2008

Malz as Malz can

Bis vor ein paar Monaten dachte ich, Malzbier wäre so eine Art Kindergesöff. Vermutlich, weil ich als Kind ganz wild auf Karamalz war. Mit einsetzender Pubertät mutierte der Malztrunk sofort zum absoluten Das-geht-ja-gar-nicht. Angesagt war jetzt echtes Bier mit Prozenten und Hopfenherbe. Ohne das heutige jugendliche Komasaufen und die Flatratetrinkerei verharmlosen zu wollen: auf dem flachen Land, damals, in den ebenso flachen 80ern, war der Kasten Bier für vier Jungs gerade die ausreichende Menge. Die Folgen waren oftmals auch recht unschön, aber das soll jetzt nicht das Thema sein. Thema ist meine WIEDERENTDECKUNG DES MALZBIERES.

Vier Sorten Malzbier zum TestTestkauf in der Getränkeabteilung: Darfs auch ein bisschen billiger sein? Nein!

Denn vor ein paar Monaten nahmen wir mit Deef Pirmasens in der Welt des Essens einen Imbiss und ich bestellte ein Malzbier. Keine Ahnung, was mich dazu trieb, vielleicht eine alte Erinnerung, vielleicht der Durst auf einen ganz anderen Geschmack. Tatsache aber war: das Zeug war hervorragend. Kalt, leicht prickelnd, angenehm süß und von einer gewissen Kremigkeit mit zarter Hopfennote. Seitdem kassiere ich beim Essenfassen öfter mal einen komischen Blick; denn scheinbar dürfen das nur Kinder bestellen, ohne mit der leicht zweifelnden Frage "Ein Malzbier?" konfrontiert zu werden.

Letzthin war es wieder soweit. Durst auf braunes Klebebier; im Riesensupermarkt unserer Wahl bietet die Getränkeabteilung vier Sorten und ich kann mich partout nicht entscheiden. Braumeister Kraftmalz, hier in Berlin die bevorzugte und von mir sehr geschätzte Kneipenmarke, gab es nicht. Also nahm ich das komplette Sortiment mit:
Oettinger Malz - 0,5 l, 33 Eurocent
Sternburg Doppelkaramel - 0,5 l, 34 Eurocent
Karamalz (Eichbaum) - 0,5 l, 47 Eurocent
Maximalz (Brinkhoff) - 0,33 l(!), 39 Eurocent

Heute musste die letzte Flasche – wie die anderen auch gut gekühlt - dran glauben. Fazit: zwei der vier Sorten kommen mir nicht mehr ins Haus.

Absoluter Favorit: Maximalz ("Einmalzig gut"). Zwar das teuerste Getränk mit 65 Cent für den halben Liter, aber auch das beste! Ehrlich. Ok ich relativiere das jetzt – heutzutage muss man ja vorsichtig sein: mir hats am Besten geschmeckt. Prickelig wie leichter Prosecco, kremig wie Guinness, mit feinem Schaum und von zarter Süße mit einer angenehmen Hopfigkeit.

Platz zwei - trara! - erreichte das Bier meiner Kindheit. Karamalz ist immer noch ein ordentliches Getränk, von nicht penetranter Süße, differenzierten Aromen aber nur leichter Hopfennote.

Ihre Chance verspielt haben bei mir die beiden anderen Produkte, übrigens die Billigheimer im Test. Beide fielen mir durch einen deutlichen Hausgeschmack auf, der sich in einem leicht dumpfigen Maischaroma zeigte. Eine unharmonische Bitternote, wie von zu scharf gedarrtem Malz, störte mich ebenso wie die alles verklumpende Süße. Von einem dieser beiden "Biere" brachte ich nur die Hälfte runter, der Rest verzuckert jetzt die Berliner Kläranlagen. Aber bitte schön: selbst probieren. Mir schmecken auch keine nördlichen Pilssorten, andere lieben sie. Ist beim Malztrunk vermutlich nicht anders.

Aber jetzt, nach einem sehr heißen Julitag in dieser vor Hitze kochenden Stadt, werde ich mir erstmal einen Venziano genehmigen. Der passt besser zum derzeitigen Mittelmeerwetter.

Donnerstag, 24. Juli 2008

Mit dem Floß zurück in die Achtziger

Kon-Tiki-Bar ZingstKon-Tiki = Südamerika = Cocktail = Kängurusteak

Kon-Tiki war einmal ein Balsafloß. Thor Heyerdahl wollte damit die Neue Welt erreichen und irgendwas beweisen. Wahrscheinlich mehr sich selbst als anderen. Wir mussten uns kürzlich nichts beweisen, als wir die Kon-Tiki-Bar enterten. Kein Balsafloß, sondern eine Urlaubspinte, ungefähr 100 Meter entfernt vom Ostseestrand der Halbinsel Zingst im gleichnamigen (Urlaubs-)ort. Neben mutmaßlichen Fleischbergen (Känguru, Krokodil, Strauß und Rind) – die wir nicht testeten - bekommt man dort ganz ordentliche Cocktails. Mein Caipirina schmeckte gut, auch Wasabis Martinicocktail (mit Olive...) war ok.

Allerdings entpuppte sich der Laden als 80er-Jahre-Zeitblase. Da half auch das überdekorierte Ambiente nichts. Schnauzbartträger und Landjugend mit Weißbier an den Tischen, eine mittelalte Dame mit hungrigen Augen und knappem Tigertop scannte von der Bar aus den Raum, und dann Musik aus der Grabbelkiste. Ach, wie war das schön. Leider hatte das Klampfen/Keyboard-Duo nicht meinen Wunschtitel im SFB-Programm. Mein Rufen nach Ring of Fire verhallte ungehört. Dabei hatte ich doch so schön mitgegrölt und bei einer unserer Begleiterinnen Fremdschämen ausgelöst. Bei Whiskey in the Jar, Volare, Heart of Gold, The Day they brought old Dixie down... („se day sei broot old dixi down“). Dafür mussten wir pro Nase auch noch zwei Euro Musikaufschlag bezahlen. Eine spaßige Stunde, dann reichte es auch wieder.

Das nächste Mal mache ich lieber einen Strandspaziergang oder mixe mir zuhause einen Veneziano – ein wunderbares Sommergetränk für heiße Abende. Gesehen und getrunken in Bozen. Dort ist das eine mit Aperol aufwertete Weißweinschorle (kein Cocktail) und wird gerne in der Mittagspause oder nach Feierabend getrunken:

Veneziano

0,1 l trockener Weißwein
0,1 l Mineralwasser (sprudelnd)
1 – 2 cl Aperol
1 Orangenscheibe
Eiswürfel
Alles gut gekühlt zusammen gießen. Aperol nach Geschmack. Je mehr, desto süßer wird der Venziano. Leicht umrühren, mit schwimmender Orangenscheibe, Strohhalm und Eiswürfel garnieren. Prost.

Mittwoch, 18. Juni 2008

Berliner Bäcker bringens nicht

Ja, sie können zum Teil nicht mal backen.
Ich gebe zu, das ist eine pauschalisierende Aussage. Aber während ich dies schreibe, knabbere ich an einem zwar wohlschmeckenden, aber auf der Oberseite leicht angebrannten Marzipantörtchen vom Bäcker an der Ecke und mir wird langsam klar, wie gut wir es in L. E. in punkto Backwaren hatten. Das Brot vom Bäcker Drescher, mit dem alles begann, die wunderbaren Kuchen der Bäckerei Schlett und die ganzen anderen Kleinbäcker, die vielleicht nicht gerade Außerordentliches, aber doch annehmbare Qualität produzierten.

In Berlin sieht das bisher etwas anders aus. In Laufweite zur Wohnung gibt es vor allem Filialen diverser Bäckerketten von Back-Factory bis Wiedemann. Zwei Läden sind zwar keine Filialbäcker, bieten aber trotzdem aufgebackene Fertigteile an. Eintopf mag es ja gerne etwas süßer, mich hingegen nervt die exzessive Verwendung von Zuckerguss, die ich nach einem Dreivierteljahr in dieser Stadt als charakteristisch für Berliner Bäcker bezeichnen würde.

Der Bäcker an der Ecke produziert sein Sortiment immerhin selbst, darunter ein recht gutes Mischbrot mit Sauerteig, passable Brötchen und leckere Zwiebelbrötchen, so dass die Grundversorgung glücklicherweise gesichert ist. Aber: er kann - siehe Marzipantörtchen - keinen Kuchen. Oder positiv formuliert: Seine Stärken liegen eindeutig in der Brotherstellung. Mürbeteigböden sind ungefähr einen Zentimeter dick, fast so dick ist auch die Zuckergußschicht auf dem gedeckten Apfelkuchen. Streusel erreichen die Größe von Pingpongbällen, Spritzkuchen schmecken wie feuchte Pappe mit Zuckerguss, Hefeteig ist trocken und zäh und - für mich der Inbegriff des Grauens - Buttercremefüllungen werden mit Margarine zubereitet. Seit Anfang Januar bietet unser Bäcker Erdbeerschnitten an, die ich vergangene Woche probierte. Wider Erwarten mit einem lockeren und wohlschmeckenden Bikuitteig, dafür bedeckte die Erdbeeren ein fester, ungesüßter Gelatinepanzer.

angebissenes QuarkteilchenSchmeckt nicht: Rest eines Quarkteilchens vom Bäcker an der Ecke

Für die nächsten Monate habe ich also zwei Ziele: Erstens Bäcker finden, die Kuchen backen können, und zweitens häufiger als bisher selber backen.
In meiner Liste guter Kuchenbäcker steht bislang ein kleiner Laden in der Wolliner Straße, zwischen Kremmener Straße und Arkonaplatz, der gute Obstkuchen und sensationelle Donauwellen (mit Buttercreme!) anbietet. GutesEssens Übergangswohnung mit dem grässlichen Klappbett war ganz dort in der Nähe. Leider komme ich da heute nur noch selten vorbei.

Den zweiten Teil des Vorhabens habe ich an den vergangenen Wochenenden schon einige Male in die Tat umgesetzt. Das Rezept für den Schokoladenkuchen mit Mandeln stammt aus einem Wolfram-Siebeck-Rezeptheft der Zeit aus dem Jahr 2000, geht schnell und einfach und hat sich bei mir bewährt.

SchokoladenkuchenSchmeckt: Selbstgebackener Schokoladenkuchen mit Mandeln


Schokoladenkuchen (für eine Springform von 18cm Durchmesser)

100g Bitterschokolade (70% Kakaoanteil)
140g Butter
120g Zucker
90g Mehl
1/2 TL Backpulver (ins Mehl gemischt)
1 EL schwach entölter Kakao
3 Eier (getrennt)
Prise Salz
2 EL Grand Marnier, Rum oder Ähnliches
eventuell Orangenschale
Mandelstifte (oder Walnüsse)

Schokolade bei geringer Hitze schmelzen lassen. Butter und Zucker schaumig schlagen, die Eigelbe, Salz, Grand Marnier und Orangenschale nacheinander unterrühren. Die geschmolzene Schokolade einarbeiten. Mehl-Backpulver-Mischung ganz kurz unterrühren, die Eiweiße zu steifem Schnee schlagen und unterziehen.
In einer 18cm-Springform bei 200 Grad 15 Minuten backen, dann eine kleine Handvoll Mandelstifte (oder gehackte Walnüsse) daraufstreuen und weitere 20 Minuten bei 180 Grad backen.

Donnerstag, 12. Juni 2008

Döner-Mutationen

Gesehen in Halle, Leipziger Straße

Döner süßsauer gibt es ja schon und die Dönerflatrate berichtete vor gut einem Jahr über Fischdöner als möglichen neuen Trend.

Ich warte auf
Curry-Döner
Döner italienisch
Döner Hawaii (mit Dosenananas und Schinken) und
Döner Holsteinische Art (mit Spiegelei).

Testen würde ich das alles allerdings nicht. Ein Lokal in der Nähe unserer Berliner Wohnung beherbergt nämlich den wohl ältesten Dönerspieß der Stadt. Der tägliche Anblick des Gammelfleisches verdirbt mir seit Monaten zuverlässig jeden Dönerappetit.

Dienstag, 3. Juni 2008

Erntezeit



Bei schönstem Sommerwetter reifen auf dem Balkon die Erdbeeren und die Bohnen. Das ständige Wässern, Umpflanzen, Begutachten, Herumzupfen befriedigt ein auch bei mir vorhandenes Bedürfnis nach Sich-Kümmern und Bemuttern und liefert ständigen Gesprächsstoff. Ich verstehe nun, was Menschen zur Haustierhaltung bewegt. Nur schade, dass ich mit meinen Pflanzen nicht Gassi gehen kann.

Mittwoch, 21. Mai 2008

Die Goldene Schildkröte ist nicht mehr oder: Ein Tag mit einem Thema

Was sehen Sie? Wie Sie sehen, sehen Sie nichts

Wir sahen gestern auch erstmal nichts und liefen am Abend eines seltsamen Tages die Torstraße auf und ab, auf der Suche nach der Goldenen Schildkröte, in der wir kurz vor dem Jahreswechsel noch mit Besuch aus München gegessen hatten. Fünf Monate sind lang, jedenfalls in diesem Teil von Berlin. Was neues macht da häufig auf, tja, und anderes macht eben wieder zu. Die Räume der Schildkröte werden schon für den neuen Mieter renoviert.

Ein essenstechnischer Plan B war glücklicherweise schnell gefasst, denn ich hatte trotz der Strapazen des Tages noch nicht das Stadium erreicht, in dem mich akuter Hunger denk- und handlungsunfähig macht.

Dieser Restaurantbesuch brachte dann auch indirekt das Thema diese Tages zur vollen Entfaltung, von dem ich am Morgen glücklicherweise noch nicht wusste, dass es das Thema werden würde.
Begonnen hatte er frühmorgens mit einem Blick ins Klo, auf einen dramatisch steigenden Wasserstand und auf eine Badewanne voller Dreckwasser, die deutlich machte, dass es sich nicht um eine kleine lokale Rohrverstopfung handeln konnte, sondern dass sich gerade das Schmutzwasser des ganzen Gebäudeteils auf den Weg machte, um sich in unserem Badezimmer zu sammeln. Gute sechs Stunden später verließ ein ob der baulichen Besonderheiten unserer Wohnung erschöpfter Wasserinstallateur das Schlachtfeld, und ich machte mich daran, die Badewanne zu entschlammen.

Das Essen in der Goldenen Schildkröte sollte den Abschluss eines anstrengenden Tages bilden. Das zweite Lokal, das wir dann aufsuchten (und das nebenbei bemerkt für die Koinzidenzen gar nichts kann) liegt in der Nähe der Spree, so dass mir auf dem Weg dorthin ein fliegender Wasservogel ins frisch gewaschene Haar kackte. Nachdem GutesEssen mit einem Taschentuch das Malheur beseitigt hatte, gab es endlich was zu essen. Und was gutes sogar (also wenigstens hier kein Griff ins... na ihr wisst schon).

Kurz vor dem Bezahlen suchte ich dann die Toilette des Lokals auf und wunderte mich etwas über den ungewöhnlich hohen Wasserstand im blitzsauberen Becken. Nach Betätigen der Spülung blickte ich zum zweiten Mal an diesem Tag auf herumwirbelnde Papierfetzen und verstand.

Donnerstag, 15. Mai 2008

Reisender, wenn du nach Leipzig kommst - meide das Barfußgässchen

Unser Freund A. (der bekennende Kulinarier aus der Dresdner Randlage) hatte sich dieser Tage wieder nach Leipzig verirrt. Ein Medienkongress. Von dem ganzen wichtigen Input wurde er ganz fürchterlich hungrig und machte sich auf den Weg in die Innenstadt. Wir danken ihm für seinen Gastbeitrag:

"Kulinarisch war der Ausflug dieses Mal ein Desaster. Wir waren im Barfußgässchen bei einem Italiener [Don Camillo und Peppone]. Obwohl S. den irgendwie gut in Erinnerung hatte (die Pizzen seien prima, aber optisch traf das auch nicht zu). Jedenfalls nannte die Kellnerin auf meine Standard-Dienstleistertestfrage 'was man denn empfehlen könne' erstmal die Tageskarte und dann nach weiterem Bohren präziser Lammfilet in Öl mit Rosmarinkartoffeln.

Auf meinem Lamm waren dann so kleine Styroporkügelchen. Ansonsten war das alles andere als ein Genuss (für 14,50). Und der Gipfel waren die Kartoffeln, die nicht mal richtig gar innen waren. Das war dann auch ausschlagebend, auf die Nachfrage vom Personal 'ob alles OK sei', das ganze zur Nacharbeit zurückgehen zu lassen (habe ich bislang eigentlich nur einmal - auch in Leipzig - gemacht).

Aber jetzt kommts: Nach zehn Minuten stellen die mir einen anderen Teller hin. Die Kartoffeln sind immer noch halbgar und das Fleisch mittlerweile Gummi. Unglaublich!! Das habe ich dann ganz zurückgehen lassen. Espresso als Ausgleich fand ich nicht angemessen.

So habe ich zähneknirschend gezahlt und kann vor dem Barfußgässchen nur warnen. Was ist das überhaupt für eine Einrichtung, wo man zwischen den Tischen der Restaurants so durchläuft, dass man fast jedem auf den Teller starren kann? (Am besten mit der Frage: kann man das wirklich essen?)"
Tja, es scheint kein Zufall zu sein, dass sich die leckeressen-Gastrotipps für Leipzig eigentlich ausnahmslos auf Gaststätten außerhalb des Zentrums beziehen.

Essen lesen

Beim Essen zu lesen, ist angeblich ungesund, aber über das Essen zu lesen, hat meines Wissens bis jetzt noch wenig Schaden angerichtet. Aus diesem Grunde litt ich auch gestern unter argem Fingerzittern, als ich in der Leipziger Zweitausendeins-Auslage ein nur leicht ramponiertes Mängelexemplar des „Essen & Trinken“-Bands aus der ausufernden Schotts-Sammelsurium-Reihe für günstiges Geld herumliegen sah. Eigentlich mache ich nicht prinzipiell, sondern instinktiv einen weiten Bogen um Bücher, die in Bestsellerlisten stehen, aber in diesem Fall erinnerte ich mich voller Vergnügen an ein Interview des Literatur- und kulinarischen Gourmets Dennis Scheck in Deutschlands einziger ernst zu nehmender Literatursendung Druckfrisch. Der saß ale-selig mit dem ebenfalls gutgelaunten Ben Schott in einem typisch englischen Pub und tauschte spannende und unterhaltende Nichtigkeiten über eben jenes Buch und die (Koch- & Ess-) Welt aus. Scheck verbarg auch nicht, dass ihm – wie ihm unschwer anzusehen sei – der Gegenstand des gelungenen Buchs sehr am Herzen liege.

Kurzum: Das Fleisch war schwach, meine Hand wanderte mit dem Restkörper sowie dem Buch zu Kasse und lässt sich seitdem nur ungern von letzterem lösen. Ich habe dummerweise die Angewohnheit, solche Schnipselbücher zum Querlesen grundsätzlich wie Romane, also von vorne nach hinten zu lesen, weshalb ich sehr dankbar dafür bin, dass die Arbeit, den Inhalt möglichst unübersichtlich durcheinander zu quirlen, schon andere für mich übernommen haben. Ebenso dankbar nehme ich zur Kenntnis, dass die deutsche Ausgabe wesentlich mehr als eine Übersetzung ist, denn wie in meinem heiß geliebten „Wörterbuch der Gemeinplätze“ von Gustave Flaubert wurden auch hier die zahlreichen unübersetzbaren Wortspiele etc. adäquat ersetzt. Mein augenblicklicher Favorit ist z.B. ein kulinarisches Mini-Wörterbuch Österreichisch-Deutsch, das in mir heftiges Auswendiglern-Verlangen auslöste. Mit Sicherheit wird man 98% des Gelesenen wegen akuter Irrelevanz sofort nach dem Lesen wieder vergessen, was aber immerhin eine Zweitlektüre möglich macht. Der Unterhaltungswert würde diese zumindest rechtfertigen.

Was auch auf zwei weitere Bücher zutrifft, ohne die ich diesen Beitrag nicht zu Ende gehen lassen will. Denn es gibt zwischen den zahlreichen Auslassungen von Köchen bzw. Kritikern und noch zahlreicheren Kochbüchern ja noch diese kleine groteske Sparte von Büchern, die sich damit begnügt, ohne konkreten Gebrauchswert von der Ernährung zu handeln. Ein originelles und kompetentes, aber nicht allzu spannendes Beispiel dafür ist z.B. der Schmöker Cuisine fatale von Christa Weil, der alle möglichen Ekligkeiten auf den Tellern der Welt dokumentiert.

Hochgradig amüsiert habe ich mich hingegen bei zwei vollkommen anderen Vertretern dieser seltenen Spezies. Zum einen ist dies „Kochen für Rockstars“ von der Roten Gourmet Fraktion, den Tourköchen diverser deutscher, tendenziell linkslastiger Bands. In ihrem Erfahrungsbericht erzählen sie nicht nur über den logistischen Sonder- und Ernstfall einer Küche, die jeden Tag neu auf- und abgebaut werden muss, sondern auch über ihre zahlreichen originellen Kombinations- und Darreichungsideen. Anekdoten aus dem essfernen Musikeralltag fehlen natürlich ebenso wenig wie einige wenige Rezepte des Typs „Jägermeistermousse“ oder „Vegetarische Schlachteplatte“. Ein Dank geht an die Dame, die mir ihr Exemplar lieh und es sich dann prompt von mir abkaufen ließ.

Mindestens ebenso ans Herz gewachsen ist mir ein Kleinod des viel zu früh aus dem Leben geschiedenen Michael Rudolf. Das Sammlerstück aus dem Hause Reclam Leipzig hört auf den mittelspaßigen Titel „Hexenei und Krötenstuhl. Ein wunderbarer Pilzführer“ und verwirrt jeden, der mein Bad (dort wohnt das gute Stück) betritt und mich etwas besser kennt. Denn er/sie weiß, dass ich dank eines Kindheitstraumas in keinen Wald zum Pilzesuchen (der Freak spricht euphemistisch vom „Sammeln“) zu bekommen bin. Stattdessen tröste ich mich mit diesem 150-seitigen Scherz, der alles Mögliche ist, aber kein Pilzführer. Vielmehr verstecken sich hinter den Artikeln zu diversen – meines Wissens authentischen – Pilzsorten kleine Prosa-Goldstücke feinstens austarierter Komik, die eine tiefe Hassliebe zur deutschen Gesellschaft im Allgemeinen und ihren pilzbesessenen Parallelgesellschaften im Speziellen erkennen lassen. Klassische Farbtafeln mit Abbildungen vergrößern die Gefahr einer Verwechslung mit echten Pilzführern (ähnlich wie bei Giftpilzen) noch und Gastbeiträge u.a. von Wiglaf Droste lassen den unvorbereiteten Leser noch härter auf dem Boden der Realität aufschlagen.

Auf die Frage
Essen oder Lesen? antworte ich also entschieden: Sowohl als auch!