Freitag, 27. Juli 2007

Saugute Bratkartoffeln

Bratkartoffeln sind ein billiges wie einfaches Essen – einfach im Sinne von "verwendet alltägliche Zutaten", weniger im Sinne von „einfach herzustellen“. Wohl aus diesem Grund sind Bratkartoffeln ein Dauerbrenner auf den Speisekarten von Eckkneipen und liefern die Daseinsberechtigung für die zahlreichen Kartoffelhäuser. Allerdings vermute ich, dass dem Gast nur selten die erträumten knusprig-würzigen Kartoffelscheiben vorgesetzt werden. Häufig sind diese Kartoffeln zu fettig, um lecker zu sein, oder es handelt sich um maskierte Salzkartoffeln, die, der Farbe wegen mit Paprika bestäubt, einmal kurz durch die Pfanne hüpfen durften.
Bis mir jemand ein wirklich gutes Bratkartoffellokal verrät oder ich selbst eins aufmache, gibt es hier eine Anleitung, wie saugute Bratkartoffeln in drei Schritten gelingen. Die gute Nachricht: Bratkartoffeln sind beherrschbar, der Koch braucht weder Talent noch Genialität, es gibt nur ein paar einfache Regeln.

Kartoffelscheiben

Erster Schritt: Einkaufen
a) Eine gute Pfanne. Gute Pfannen sind von der Sorte, mit der man Einbrecher erschlagen könnte. Sie sollten tunlichst nicht zum Nachstellen antiquierter Bilderwitze verwendet werden, in denen einem Mann mit Hut von seiner hinter der Tür lauernden Frau eins übergebraten wird.
Für Bratkartoffeln ist eine geschmiedete Eisenpfanne die beste Wahl. Einmal eingebraten (und nie mit Spülmittel traktiert) wird sie mit jedem Mal besser.
Zweitbeste Wahl wäre eine innen emaillierte schwere Pfanne, die ist auch etwas universeller einsetzbar, abwaschbar und rostfrei. Die Investition in eine gute Pfanne lohnt sich, denn in den meisten Fällen hat man sowas wirklich "fürs Leben": Sie geht im allgemeinen nicht kaputt und ist mit allen Herdarten kompatibel.
Zur Not könnte man auch eine beschichtete Pfanne nehmen, aber trotzdem Fett verwenden. Machen wir uns nichts vor: Bratkartoffeln sind kein Diätessen. Es ist zwar möglich, Kartoffelscheiben ohne Fett zu braten, aber nicht wünschenswert, denn das Ergebnis wird an gedörrte Kartoffelscheiben erinnern und nicht an Bratkartoffeln, wie wir sie wollen.
Unbedingt abzuraten ist von unbeschichteten Edelstahlpfannen. Das ist nur etwas für Fleisch, mit Kartoffeln wird es anstrengend, weil die garantiert kleben bleiben.

b) Festkochende Kartoffeln. Unbedingt festkochende Kartoffeln. „Vorwiegend festkochend“ bedeutet nur, dass die Kartoffeln in den meisten Fällen für Bratkartoffeln zu mehlig und bröckelig sein werden.

Zweiter Schritt: Vorbereitung
Die Kartoffeln 6 bis 36 Stunden vor der geplanten Bratkartoffelzubereitung als Pellkartoffeln kochen und erstmal in Ruhe abkühlen lassen.
Wenn es mit dem Braten Ernst wird pellen und in etwa 3 bis 4 mm dicke Scheiben schneiden. Zwiebel in Ringe oder Würfel schneiden. Nach Wunsch durchwachsenen Speck in Würfel schneiden.

Dritter Schritt: Braten
Pflanzliches Öl (Sonnenblume, Olive, Raps oder so) oder Schmalz in der guten Pfanne erhitzen, und zwar so viel, dass der Boden bedeckt ist.
Bei Verwendung wird zuerst der Speck bei etwas geringerer Hitze knusprig ausgebraten. Da kann man gleich auch die Zwiebeln nachschütten und sie anbräunen lassen. Beides wird dann auf einem Teller zwischengelagert und kommt zum Schluss noch mal dazu.

Den Herd jetzt auf größte Hitze stellen und wieder runterschalten, wenn die erste Ladung Kartoffelscheiben in der Pfanne ist. Hier muss man etwas rumprobieren, welche Einstellung für die eigene Hardware passt, ich stelle den Elektroherd auf Stufe sieben (von neun).
Die Kartoffelscheiben in die Pfanne legen und zwar dicht nebeneinander, nicht übereinander. Jetzt Geduld haben und warten, bis sich bei den ersten Scheiben ein kleiner brauner Rand zeigt - wie im Bild.

Kartoffelscheiben mit braunem Rand

Diese Scheiben umdrehen, das geht am besten mit einer Gabel. Scheiben, die auch auf der zweiten Seite gebräunt sind, entweder auf den Rand der Pfanne schieben oder als zweite Schicht auf noch nicht gebratene Scheiben stapeln. Lücken auf dem Pfannenboden mit neuen Scheiben auffüllen. Wahrscheinlich werden nie alle Scheiben gleichzeitig braun, weil Elektroherdplatten nicht gleichmäßig heizen oder weil Herde häufig schief stehen und das Fett zu einer Seite läuft. So, mit Wenden und Umstapeln, alle Kartoffelscheiben verarbeiten. Bei größeren Mengen muss man noch ein bißchen Öl nachschütten - fetttriefend sollen die Kartoffeln natürlich trotzdem nicht werden. Die allerallerwichtigste Regel: Wirklich nur dann wenden, wenn die Scheiben gut gebräunt sind, dann zerfallen sie nämlich auch nicht mehr. Um nicht ungeduldig zu werden, lese ich beim Bratkartoffelbraten meistens nebenher und schaue erst nach der Hälfte des Seite-drei-Artikels in der Süddeutschen Zeitung wieder nach.

Bratkartoffeln

Wenn der Pfanneninhalt zufriedenstellend gebräunt ist, kräftig salzen und pfeffern, eventuell auch kümmeln oder majoranen und natürlich Speck und Zwiebeln wieder dazugeben. Für die vegetarische Variante könnte man jetzt ein paar Sonnenblumenkerne hineinstreuen, die schmecken angeröstet auch gut. Oder noch ein paar Oliven. Aber das ist schon nicht mehr die die reine Lehre.
Als klassische Beilage zu den Bratkartoffeln (die bei mir immer das Hauptgericht sind) empfehle ich Spiegelei oder Brathering.

Mittwoch, 25. Juli 2007

Nur einen im Tee – warum so sparsam?

Warum habt ihr mir das angetan? Wie konnte das passieren? Durch welche ungünstigen Verkettungen war es möglich, dass so viel Schönes so lange an mir vorbei gehen konnte? Denn eigentlich war es purer Zufall, dass ich mich im beschaulichen Schöneberg verabredet hatte, das mir bisher lediglich durch einen eher unrühmlichen Techno-Track in Erinnerung geblieben war.

Und auf einmal war ich mitten im Schlemmerparadies gelandet, das einen irdischen Namen trägt: Akazienstraße. Zwischen Kaiser-Wilhelm-Passage und Kirche/U7-Haltestelle erstreckt sie sich und lädt auf ca. 300m zu einer kulinarischen Weltreise ein. Darf’s etwas Indisches sein? Oder doch lieber türkisch? Ach so, heute Lust auf französische Crepes? Und anschließend aus Neugier zum Tibetaner? Alles nur wenige Schritte voneinander entfernt. Und der Raum dazwischen ist ebenso anregend mit kleinen Läden gefüllt, die Rioja-Weine (geliebter Tempranillo!), Back- oder Konditoreiwaren feilbieten. Sogar eine Chocolaterie hat sich hier eingenistet und lässt sofort an Juliette Binoche denken.

Jedoch mir stand nicht nach Speise der Sinn, eine andere Lücke galt es zu schließen. Ich moniere nämlich seit geraumer Zeit, dass jede deutsche Ecke, die nicht mit einer Back-Factory zugetrümmert wurde, mit einem amerikanisch angehauchten Coffee-Shop verbaut wird, aber keiner auf die Idee kommt, mal was anderes als den obligatorischen Meßmer-Beuteltee auszuschenken. Man sollte zu diesem Thema mal einen Bildungsausflug nach Prag organisieren.

Oder nach Berlin. Denn hier gibt es zum Glück in der Akazienstraße 10 ein Lokal, das sich laut Motto seit anderthalb Jahren der „tea passion“ verschrieben hat – das Aurum. Zwei überschaubare Räume werfen sich dem Gast vor die Füße, bei gutem Wetter lockt der Freisitz, schöner aber sitzt man drinnen bei schlechtem Wetter auf Sitzkissen und weichem Teppich zu ebener Erde. Für Rückgratgeschädigte gibt es aber auch das klassische Café-Gestühl. Schnickschnack fehlt und abends wird das Licht runtergedimmt. Wenn die Kerzen angezündet sind, wird es richtig gemütlich. Man darf auch alleine kommen, für Einsame steht ein W-LAN-Hotspot zur Verfügung. Folglich hat der Laden schon eine Menge Stammkundschaft.

Die Karte hat gegenüber den Prager Teestuben einen Nachteil, der gleichzeitig ein Vorteil ist – sie ist zwar wesentlich kleiner als die lexikongroßen Wälzer im Land der Böhmen und Mähren, dafür ist aber auch alles vorrätig und man kann sich leichter entscheiden. Ein weiterer Vorteil gegenüber den slawischen Artgenossen ist der Umstand, dass mehr als ein Wasserkocher in der Küche steht, also zum Tee und längeren Verweilen mehrere Suppen, einige warme Gerichte (auch vegetarisch) und Süßspeisen locken, dazu noch diverses Süßgebäck.

Ich wählte zum Einstieg einen Chili-Ingwer-Tee für 2,10 EUR, der mehr hielt als er versprach: In Glastasse offenbarte sich ein voluminöser, leicht scharfer Geschmack aus zahlreichen weiteren Zutaten: Birne, Apfel, Papaya, Feige sowie (Achtung!) Bärlauch, Spargel und roter Pfeffer. Dadurch neugierig geworden, musste ich weiter probieren, denn die Karte bietet noch viel mehr Abenteuer. Meine Begleitung orderte einen sanften, ausgewogenen Jasmintee, ich musste meinen Forscherdrang stillen und entschied mich für „Mo Li Bai He“ – eine Teerose aus Grüntee, Jasmin und Lilie zu 5,70 EUR. Das klingt viel, bringt aber auch vier bis fünf Aufgüsse, denn das Ganze wird mit einer Tasse, einem Glaskännchen zum Aufgießen und einer prall gefüllten Thermosflasche mit heißem Wasser gereicht. Außerdem bekommt man nicht nur ein kompexes geschmackliches, sondern auch optisches Erlebnis – die Rose öffnet sich langsam und farbenfroh, so dass jeder Aquarianer vor Neid grün anläuft.

Bei der Verkostung ist uns etliches entgangen, was ein Wiederkommen locker rechtfertigt: etliche weitere Sorten, Tee latte, sieben verschiedene Teerosen (auch zum Mitnehmen) und vier verschiedene Teezeremonien (japanisch, englisch, russisch), jeweils mit landestypischen Features wie z. B. Ingwergebäck, Scones oder Samowar. Wir knusperten uns immerhin noch durch die gemischte Süßigkeitenschale mit russischem Konfekt, Kirschkuchen und scharfen Ingwerstäbchen. Wie alles andere wurde auch dies fix und freundlich von der redseligen (im positiven Sinne!) Bedienung gebracht.

Ein Wermutstropfen, der den Tee nur leicht verbittert hat, war zum einen die zu laute und unpassend soft- und ethnopoppige Musik von der Stange, da wäre sicher noch was zu machen. Außerdem geht ein entweder sehr alter oder sehr aufgetauter Blechkuchen in dieser erlesenen Umgebung zwangsweise gnadenlos ein. Trotzdem habe ich von diesem – nomen est omen – Goldstück die Visitenkarte mitgenommen. Zum Empfehlen oder – noch besser – Selberbenutzen.

Dienstag, 24. Juli 2007

Wider die Verwirrung um Autoren, Namen und Berlin

Seltsame Dinge geschehen hier im Blog. "Ich mag gutes Essen!" verschwindet und dafür taucht ein Mensch namens "GutesEssen" auf. Außerdem platziert sich hier eine Person mit dem appetitlichen Alias "Eintopf" neuerdings mit ausführlichen Elogen zu Speis und - sehr erfreulich - auch Trank. Zudem geht's immer öfter um Berlin. Letzteres erklärt sich zum Beispiel hier. Zu gegebener Zeit werden wir das Blog auch entsprechend umtaufen, aber das verkündigen wir dann rechtzeitig. Versprochen.

So, und jetzt die Namensauflösungen: "GutesEssen" ist niemand anders als "Ich mag gutes Essen!" - also der Schreiber dieser und vieler anderer Zeilen hier auf diesem Publikationsmedium. Das hängt einfach mit der Schöpfungsgeschichte unseres Blogs zusammen. Als ich eines Tages köstliches Dinkelgebäck verspeiste und dachte, das müsse ich nun doch der Welt mitteilen, probierte ich ganz naiv das blogger.com-Portal aus, was mir so spontan recht gut gefiel. Name und Layout hatte ich schnell ausgesucht, ein bisschen dran rumgebastelt, zwei Stunden später war es online. Beim Blogalias hatte ich in meiner Begeisterung leider nicht mitgedacht - das erwies sich vor allem im Textgebrauch als recht sperrig, also entschied ich mich, leider erst jetzt, zur radikalen Verkürzung und bitte diesen Schritt bzw. die bisher fehlenden Erklärung zu verzeihen.

"Eintopf" ist tatsächlich ein neuer Autor und schreibt seit vergangener Woche auf unsere Einladung hier bei "lecker essen" mit. Ich hoffe, Ihr gewöhnt euch an ihn, ich freu mich immer auf sein nächstes Posting. Mal sehen, vielleicht treffen wir demnächst in der großen Stadt an einer Wurstbude zufällig aufeinander. Man weiß ja nie...

Montag, 23. Juli 2007

Bierliner Kehlenkühler

Getränke stehen bei lecker essen in Leipzig!, wie der Name schon sagt, eher in der zweiten Reihe und da man am Wochenende in Leipzig ja wieder ganz exzessiv diverse „Zeichen gesetzt“ hat, will auch ich ein solches hierhin setzen und mich den sommerlichen Genüssen in flüssigem Aggregatzustand zuwenden. Um genauer zu sein: den kühlen Genüssen nach deutschem Reinheitsgebot, welche der Berliner Markt zum Teil in die bundesweiten und somit auch für Sachsen relevanten Marktregale wuchtet. Wir schreiten also zu einer kleinen Verkostung.

Den Anfang macht Berliner Kindl, das bei mir den legendären Ruf genießt, mein erstes eigenes ganzes Bier überhaupt gewesen zu sein. Ich war zugegebenermaßen noch nicht 16 und hatte die 0,33l-Flasche von einem Buffet in der – wirklich! – Berliner Philharmonie mitgehen lassen. Sie wurde später im Bus geköpft und gelehrt. Und genau das ist der springende Punkt. Wenn einem, der noch nie Bier getrunken hat, das Bier auf Anhieb schmeckt, dann kann, ja muss etwas nicht stimmen. Zum Glück ist auf die Brauerei Verlass. Auch heute rangiert das Gebräu in der Kategorie „Untrinkbarkeit“ bei den deutschen Bieren bei mir ganz dicht hinter Warsteiner. Es ist mit 4,6% das dünnste hier im Text und das bestätigt auch jeder Schluck – schwach, wenig Kohlensäure, fast süßlich, vollkommen reizlos. Mir ist schleierhaft, wie Kindl bei einem Biertest zum Geschmacksurteil „Herbheitsgrad: normal“ kommen konnte. Obwohl dort die Einstufung eines Spülwassers wie Breznak als „herb“ und „frisch“ eigentlich alles erklärt. Da kam es mir gerade recht, dass die Brauerei neben dem „Märkischen Landmann“ auch das Potsdamer „Rex-Pils“ herstellt, das mir kurz nach der Wende mit seiner aufdringlichen Preußentümelei mächtig auf den Keks gegangen ist.

Die Konservativen unter den Lesern wird es freuen, dass dieses Ausmaß an Zuverlässigkeit nicht nur auf der Westseite der Hauptstadt zu finden ist. Denn Kandidat Nummer 2, das Berliner Pilsener, weckte mir ebenfalls nie positive Assoziationen. Das war das Zeug, das in abgeschabten Kleinflaschen mit zerrissenen Etiketten in jeder Kaufhalle vor sich hin gammelte und dementsprechend auch gerne von den Vorläufern der Kandidaten, die heute mit den rotsterngeschmückten Glasmantelgeschossen vor den REWE-Märkten campieren, konsumiert wurde. Wie groß war meine Freude, dass der damit verbundene schale Geschmack auch 2007 noch als Geist aus der Flasche gehüpft kommt. Mann muss es ja noch nicht mal trinken, ein Geruchstest genügt schon. Das fünfprozentige Gebräu gibt sich zwar qua Werbung jetzt als hippe Gesamtberlinmarke, hat den Sprung über den Mauerstreifen aber nie geschafft (nachzulesen u. a. hier). Dafür sorgt schon der nachwendische Besitzer Schultheiss, der sich nicht sein westdeutsches Hopfenwasser abgraben lassen will.

Womit wir bei Kandidat Nummer drei wären – dem zweiten Westberliner Klassiker Schultheiss Pilsener, der ebenfalls mit 5% Alkoholgehalt daherkommt. Darüber hinaus bekommt man hier erstmals den Eindruck, dass das Getränk durchaus einen Hauch von Natur im Bouquet haben kann und Hopfen und Frische sich nicht gegenseitig ausschließen. Natürlich werden die Würzfreunde aus norddeutschen Landen angesichts der ostmitteldeutschen Brauereiprodukte nach wie vor verschreckt zu Jever und Flens greifen, aber für seine geografische Herkunft ist die Gerstenkaltschale in Ordnung. Ähnlich Trinkbares liefert z. B. Hasseröder, das ja auch keine Hopfengranate, aber trotzdem gut ausgewogen ist. Außerdem hat der Konzern bei mir ein privatsubjektives Bonussteinchen im Brett, weil er in Frankfurt (Oder) nicht nur seine eigene Marke abfüllt, sondern auch vor einigen Jahren die Billigmarke Frankfurter Pilsener lanciert hat. Moment, habe ich „Billigmarke“ geschrieben? Nein, der Stoff ist nicht billig, sondern hochgradig preiswert. (Für Testwillige: das rotköpfige Export meiden und gleich zum kräftigeren grünen Pils greifen!)

Es folgt, gewährt mir die Bitte, in diesem Bunde der … Vierte. Auserkoren wurde dafür das Berliner Bürgerbräu – eine Marke, die bisher trotz einer bis ins Jahr 1753 zurück reichenden Tradition vollkommen an mir vorbeigegangen und deshalb auch schuld an diesem Mini-Test ist. Beim Image – der Werbeetat für Berlin ist offensichtlich nicht klein – wird heftig auf die lokalpatriotische Drüse gedrückt. Das ist auch in Ordnung, handelt es sich doch um ein Unternehmen, das seit seiner Gründung in mittelständischen Händen ist und auch in seiner Produktpalette (Weiße, Bock etc.) Bodenhaftung zeigt. So kennt es der Leipziger ja von Bauer Bier, das unerschrocken in Reudnitz vor sich hin dümpelt. Was verbirgt sich also hinter dem bräunlichen gläsernen Vorhang? Eine dicke Überraschung. Denn es ist ein Pils, das ein bisschen „schwarz“ schmeckt, also leicht süßlich und malzig. Meine erste Assoziation waren Landbiere wie das Torgauer, die eine sehr ähnliche Rezeptur zu haben scheinen. Und wenn ich den Terminus bei den Whisky-Kenner klauen darf: Es schmeckt sogar ein wenig rauchig. (Warum nicht, in Polen wird ja auch Räucherbier verkauft.) Also, wenn es gekühlt ist, durchaus sympathisch.

Es folgt die Auswertung. Mit Kindl und Berliner Pilsner muss man groß geworden sein, sonst wird sich ihr Zauber nicht erschließen. Kindl ginge noch für Menschen, die kein Bier mögen. Das Bürgerbräu hingegen überrascht mit einem ruralen Geschmack, der in der Millionenmetropole ein angenehmes Kontrastprogramm darstellt. Der Islay unter den Berliner Bieren sozusagen. Für meinen mitteldeutschen Gaumen ist Schultheiss das Bekömmlichste, womit man sich den Sommerabend an der Spree vertreiben kann. Und wenn ich mal ganz gute Laune habe, gebe ich mir dir Breitseite und pilgere nach Köpenick in die kleinste Brauerei Deutschlands auf dem Schlossplatz. Soll angeblich scheußlich sein.

Sonntag, 22. Juli 2007

Deutscher Kuchen aus türkischen Öfen

Während GutesEssen sich schrittweise von Osten aus den Hoch- und Tiefpunkten der kulinarischen Szene Berlins nähert, hat es mich vorübergehend in die andere Ex-Hälfte der Stadt verschlagen. Folglich werde ich in den nächsten Wochen die Hauptstadt von Westen aufrollen – vielleicht treffen wir uns ja in der Mitte zur gemeinsamen Degustation. Den Anfang macht ein Stadtteil, der Auswärtigen vor allem durch seinen Knast bekannt sein dürfte – Moabit.
Über das Bäckerhandwerk war hier ja schon einige Male etwas zu lesen. Dem möchte ich einige Teilchen hinzufügen und dabei meiner Begeisterung Luft machen. Denn ich habe mich in den hier ansässigen Bäcker Kiran verliebt. Also nicht den Bäcker selbst, sondern den Inhalt seiner Auslagen. Und bevor jemand das Argument rausholt, dass ich als Zugereister mir ja wohl keine Empfehlungen erlauben könne, füge ich hinzu, dass mehrere mir bekannte Moabiter unabhängig voneinander (!) von selbst Fans und Stammkunden geworden sind.

Wenn man die lange Turmstraße abschreitet, trifft man auf zahlreiche Läden „mit Migrationshintergrund“, also mehr oder weniger exotischen Speisen und Rohstoffen dazu. Hier liegen dicke Bündel frischen Thymians und Rosmarins neben Schafskäse für wenig Geld in den Auslagen und lassen die Selbstkocher frohlocken. Dazwischen drängelt sich in der Nummer 36, in unübersehbarem Gelb-Rot gehalten, ein Exot der anderen Art. Das Schaufenster kündigt nämlich eine „Konditorei“ an und man reibt sich verwundert die Augen, denn nicht eine einzige Torte schmückt die Auslage. Hier wird nicht mit Creme hantiert, hier pflegt man das solide Backhandwerk. Sogar doppelt, denn in einem Shop-in-Shop werden auch noch belegte Baguetten gereicht.

Woher nun also die Begeisterung? Nun, es handelt sich um eine kurdisch-türkische Bäckerei, aber eine, die kurz vor der Verleihung des Integrations-Ordens steht. Hier türmt sich nämlich nicht nur Fladenbrot in den Auslagen, sondern auch diverse typisch deutsche Backerzeugnisse, also auch schnöde Brötchen. Spannend für mich persönlich ist dabei, dass der übliche Blechkuchenoverkill hier zugunsten zu einer großen Menge von süßen Teilchen eingeschränkt wurde.

Und dann: die Preise. Das Prinzip „x Stück kaufen für nur x Euro“, das woanders in Aktionswochen die Ladenhüter attraktiv machen soll, gilt hier täglich und für jedes kleine Produkt. Und selbst die Preise ohne Rabatt schlagen die FeinbäckerKampsSiebrecht-Mafia locker aus dem Feld. Das reicht noch nicht als Argument? Dann geht doch mal in den Abendstunden hin. Dann könnt ihr seelenruhig einmal quer die ganze Auslage durchprobieren und die dicke Tüte wird euch mit einem freundlichen Lächeln zu einem Preis überreicht werden, der allein dem Bauchgefühl des Verkaufspersonals entspringt und dem Preis der Ausschilderung nicht mal ansatzweise nahe kommt.

Ach ja, die Leserschaft wird nach der Qualität fragen. Die geht sehr in Ordnung. Wer wie ich gerne etwas mehr Zuckerguss auf dem Teig hat und wen es nicht stört, dass die Schweineohren und Spritzkuchen regelrecht davon durchgesogen sind, der wird hier viele freudige Geschmacksknospenerlebnisse haben. Also: Die Moabiter Döner und Currywurst mal links liegen lassen und dem guten deutschen Kleinbackwerk frönen!

Freitag, 20. Juli 2007

Überlebenspack in der Zwischenwelt - Teil 2

"Man muss so was prinzipiell überhaupt erstmal mögen", höre ich und stimme dem zu. Asiatische Instantnudelgerichte gehören zu den Dingen, über deren Gebrauch ich mit mir nicht vollkommen im Reinen bin. Stelle ich mir dabei doch gewisse Riesensilos von zweifelhafter Hygiene an den Docks von Bangkok vor, die mit Rohstoffen suspekter Herkunft gefüttert werden. Rostige Lastwagen laden dort unter Dieselqualm Berge von Glutamatsäcken ab, deren Inhalt schließlich der Nong Shim Japanese Style Udon Noodle Soup ihren Geschmack verleiht. Wahrscheinlich sind das aber nichts als dumpfe spätkolonialistische Vorurteile und die Nudeln werden in einer Art Pharmafabrik in glänzenden Edelstahl- und Emaillebottichen komponiert. Doch genug der Vorrede: beginnen wir unseren kleinen Kochkurs "Chemienahrung aus dem Wasserkocher". Ausgangspunkt war wieder die etwas mager ausgestattete Wohnung und ein akuter Hungeranfall.

Die StyroporschachtelAlles was man braucht in einer Dose

Huch, was mag da alles drin sein? Der Deckel verrät: dicke Udonnudeln aus Weizen und Sonstigem sowie diverse Würzgeschichten aus dem Baukasten des Lebensmittelchemikers.

Der BaukastenDer Essbaukasten

Aha. Drei bunte Tütchen und das Paket mit feucht schimmernden, wurmartigen Nudeln. Alles schön eingeschweißt.

Geschmack in TütenGeschmack in Tüten

Das Schwarze ist eine Mixtur aus Sojasauce, Sardellenextrakt, Zucker und, na?, Glutamat. Das grüne Päckchen enthält eine Mischung aus einer Art Cornflakes, aber mit eindeutigem Fischgeruch, wie später feststelle. Und rot bedeutet "Achtung, Chilipulver". Alles kommt später über die Udonnudeln. Aber erst einmal setze ich den Wasserkocher in Betrieb.

UdonnudelnBleich und feucht: die Udonnudeln

Rein mit dem Zeug in den Styroporbecher, kochendes Wasser bis zum Strich aufgießen, Deckel drauf, zwei Minuten warten. Genial: Im Deckel sind Ausgusslöcher. Sogar ich bekomme damit das kochende Wasser aus der Schüssel, die dick genug ist, um die Hitze von den Fingern abzuhalten.

Fertige NudelZwei Minuten später...

Das sieht ja schon vielversprechend aus. Der Bisstest ergibt: genau richtig. Was heißt al dente eigentlich auf japanisch oder vietnamesisch?

WürzungUnd jetzt den ganzen Kram dazu

Jetzt heißt es stark sein - die Vermatschungsphase beginnt. Kritisch merke ich an, dass sich der Soßenbeutel ohne Messerchen oder Schere nicht öffnen lässt. Die beiden Trockentütchen hingegen bekomme ich auch mit meinen kurzen Fingernägeln geöffnet. Jetzt, befiehlt die Anleitung, muss ich nochmals Wasser bis zur Markierung gießen und alles eine Minute durchziehen lassen.

Die Suppe zieht durchSieht das lecker aus?

Die anfangs noch knusprigen Würzchips verwandeln sich ruckzuck in kleine Pampebatzen. Dagegen bleiben die dünnen Fischkuchen, die ich vom Aussehen her erst für Radieschenscheiben gehalten hatte, weiterhin von esspapierartiger Beschaffenheit. Das Elaborat riecht ein bisschen nach Fisch, sehr stark nach Soja und ansonsten nach asiatischem Nudelsnack...

Das warsAm Ende ging es doch wieder nur um Fussball

Nein, mit Fussball hatte das dann doch nichts zu tun. Eher mit "Jetzt habe ich das Zeug schon angerührt und fotografiert, jetzt muss ich es auch essen". Also löffelte ich die Brühe aus, ich hatte sie mir schließlich auch eingebrockt. Oder besser, ich schlürfte sie, wie die Tester in Tampopo. Eins ist klar: das war mit Sicherheit nicht die beste Nudelsuppe der Welt. Wie fast alle von mir bisher getesteten Fertiggerichte war sie für meinen Geschmack zu salzig, der Chili brachte mir zu wenig Schärfe in die Brühe und das Flockenzeug war eigentlich nur seltsam. Aber was will man machen, wenn man nur einen Wasserkocher hat.

Frischer Dampf auf alten Kesseln

Im Südwesten Leipzigs war es nur einer Frage der Zeit, bis sich im Umfeld der zahlreichen jungen Familien neben den schon bekannten Cafés und Kneipen (Besser leben, Schlechtes Versteck, Café Nebenan, Mahlzeit) auch Restaurants ansiedeln würden. Ein solches hat sich seit einiger Zeit etwas abseits der Könneritzstraße – natürlich – in einem alten Industriehof eingenistet, genauer an der Ecke Stieglitz-/Holbeinstraße. Das hat den Nachteil, dass man kaum zufällig das KESSELHAUS findet, dafür aber den Vorteil, dass man dort eine äußerst ruhige Oase vorfindet. Reizvoll ist das vor allem im Sommer, wenn das durchweg junge Personal bei gutem Wetter die Tische in den Hof stellt den Grill anwirft.

Aber so lange muss man nicht warten, denn auch die reguläre Karte hat einiges zu bieten, vor allem Abwechslung: Das Standardangebot ist klein, dafür gibt es zahlreiche jahreszeitlich wechselnde Gerichte und all das ist jederzeit mit Preisen im Internet (www.kesselhaus-leipzig.de) einzusehen. Da der neue Kreuzer-Gastroführer behauptet, dass man die Bio-Zutaten tatsächlich schmecke, war ein Ortstermin unumgänglich.

Da es etwas zu feiern gab, spielte Geld keine Rolle. Das war auch notwendig, denn die Gerichte sind zwar auf den ersten Blick normal kalkuliert, aber nicht unbedingt für Bärenhunger geeignet. Hier muss man wohl dem Einkaufspreis der erlesenen Zutaten Tribut zollen. Zwei Garnelenspieße für knapp 10 Euro gönnt man sich sicher nicht jeden Tag. Dafür kamen sie frisch und knackig auf den Tisch, was auch für die Rauke (oder muss man jetzt Ruccola sagen?) und die Süßkartoffeln darunter galt. Auch das Dressing war angenehm dezent-kräuterig, nur die Mini-Zitronenscheiben waren wohl eher symbolisch gemeint. Meine Begleitung ließ sich von drei aromatischen Ziegenfrischkäse-Scheiben mit Honig und frischem Lavendel (6,30 EUR) einstimmen, verbrannte sich aber leider am vorgeheizten Teller fast die Finger.

Während wir bei ordentlich temperiertem Riesling und Rivaner (die Weißweinkarte ist nicht unbedingt riesig, aber solide) verschnauften, war das Personal eifrig dabei, ganz unkonventionell die Möblierung des Gastraums nach außen zu tragen, um dem Wunsch der Gäste nach Frischluft zu entsprechen. Diese freundliche Lockerheit gilt übrigens durchgängig, auch für Nachfragen zu Beschaffenheit und Menge der Speisen war es stets offen. Dann ging es ans Hauptessen: Meine Begleitung hätte ihre frischen Gnocci mit Paprikapesto und frisch geraspeltem Parmesan (7,60 EUR) gern aufgegessen, hatte aber auch kein Problem damit, den Rest mitzunehmen (dem Wunsch nach Verpackung wurde prompt und freundlich entsprochen). Meine knusprige Blätterteigpastete mit Hühnergeschnetzeltem und (nicht Dosen-) Champignons (8,20 EUR), die ein bisschen mehr Pfeffer vertragen hätten, schaffte ich ohne Mühe. Unsere gemischten Salate, die sogar mit ein wenig Kreuzkümmel garniert waren, waren lecker, ähnelten sich allerdings zum Verwechseln.

Zum Abschluss sollte es, wie es die Tageskarte an einer stilechten alten Blechtür offerierte, Panna Cotta sein. Die Früchte darauf waren frisch (die Preiselbeeren hatten sogar ihren Zweig mitgebracht) und die Creme fest und kühl. Das hätte schon der Abschluss sein sollen, aber die Küche überraschte uns noch mit einem kleinen Zitronensorbet auf Büffelgraswodka (also Zubrówka/Grasovka). Das hätte für meine Zunge noch etwas saurer sein können, war aber für den deutschen Durchschnittsgaumen mit Sicherheit optimal.

Fazit: Wer einen gut bezahlten Job oder etwas zu feiern hat und Wert auf Details und Ideen legt, ist hier sicherlich an der richtigen Adresse. Verhungterte mit kleinem Geldbeutel sollten lieber in einen der zahlreichen Dönerläden in der Umgebung ausweichen. Dafür entgeht ihnen aber der Charme des Schleußiger Lebens nach Sonnenuntergang. Wer hier sitzt, hat meist schon ausstudiert und braucht die Nabelschau der Südmeile nicht (mehr). Und wenn aus dem angrenzenden Tanzstudio die Pärchen kommen und auf dem Hof noch ein paar Schritte üben, hat das Ambiente im Sommer fast etwas Mediterranes.

Mittwoch, 18. Juli 2007

Es geht auch besser


Ich marschierte also gestern über die Straße ins Curry 15. Das dann folgende Fragenstakkato lässt mich jetzt noch ganz schwindlig werden: Wurst mit oder ohne Darm? Soße normal, leicht scharf, mittelscharf, scharf? Brötchen? Obwohl "ohne Darm" angeblich die Berliner Wurst auszeichnet (meinte die berlinernde Dame am Grill) entschied ich mich für die andere Variante und ließ mir die mittelscharfe Soße geben. Die Wurst (1,60 Euro) kam in einer kleinen Pappwanne, in Stücke zerteilt, dazu ein Plastikgäbelchen. Für mittelscharf war die Soße ziemlich lasch, ein bisschen fruchtig, schwach gesalzen. Die Wurst hinterließ keinen bleibenden Eindruck. Sorry, aber das war jetzt kein außergewöhnliches Imbissereignis. Und das in der Hauptstadt der Currywurst. Vielleicht weiß ich aber einfach noch nicht, wie die Teile schmecken müssen und ich gehe hier nonchalanant über ein kulinarisches Spitzenprodukt hinweg, dessen wahren Wert ich Provinzei einfach nicht erkannt habe. In der Kantine gab es heute Hähnchenbrust. Mit Kartoffelbrei... Es hat satt gemacht, mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Dienstag, 17. Juli 2007

Einschnüffeln in Berlin. Und jetzt kommt die Currywurst dran

Hier sagt man "Prenz'lberg", jedenfalls wenn man jung, hip und nicht aus Berlin ist. Wer den Stadtteil komplett ausspricht, kann nur alt, unhip oder vielleicht Berliner sein. Die sagen nämlich "Prenzlauer Berg" - wenn sie es überhaupt sagen. Denn Berliner scheint es hier überhaupt nicht zu geben. Hier wohnen und flanieren nach meiner Beobachtung ausschließlich Amerikaner, Spanier, Franzosen, Briten aus allen Teilen des Königreichs und Zugezogene. Naigeschmeggte, wie man man bei mir zuhause sagen würde . Ich bin einer von letzteren und habe nach einigem Suchen an der Kastanienallee ein Internetcafé mit Wlan gefunden und entdecke allmählich Stück für Stück die Kneipenlandschaft. Langsam schnüffle ich mich ein in diesem Teil der Stadt, wie ein Hund, der sein Revier erkundet.

Jetzt sitze ich also in einer Kneipe namens neun94vier (Hausnummer 94 in der Kastanienallee, wie originell), trinke einen Cappuccino von leicht seifigem Geschmack für 1,90. Da das Wlan hier "for free" ist, darf man sich eigentlich nicht über die Kaffeequalität beschweren. Aber am schönsten ist natürlich Internet und guter Cappuccino. Von meinem Computer aus blicke ich auf einen Laden, der da heißt Koof im Kiez!. Kiez darf ich eigentlich nicht sagen, Wasabi
meinte, das klinge bei mir aufgesetzt, aber alle sagen hier Kiez. Koof im Kiez ist nichts zum Essen, aber daneben lockt mich das Curry 15 (ebenfalls originell nach der Adresse Kastanienallee 15 benannt), wo es augenscheinlich eine brauchbare Currywurst gibt. Wenn
ich also diesen ersten in Berlin verfassten Blogeintrag abgeschickt habe, werde ich mich gemütlich auf die andere Straßenseite begeben, mir eine Currywurst einverleiben und euch morgen sagen, wie sie geschmeckt hat. Meine erste Berliner Currywurst! Mein erster Berliner Gastrotipp. Ich vibriere schon vor Aufregung.

Samstag, 14. Juli 2007

Überlebenspack in der Zwischenwelt

Instantnudeln und -kaffeeNahrung kann so instant sein

Zur Zeit sichert mir mein Wasserkocher wenigstens zeitweise das Überleben. So ist das, wenn man in einer Art kulinarischer Zwischenwelt überleben muss - im Wechsel zwischen Betriebskantine, Imbissbude und einer praktisch leeren Wohnung. Inhalt des Domizils: Ein Feldbett, ein Tischchen, eine Tasse, ein Teller, eine Suppenschüssel. Internet habe ich dort natürlich auch nicht, sonst hätte ich live vom Aufgießen einer A-One Asia-Nudelsuppe ("Huhn-Geschmack", im Abgang etwas salzig) berichtet. Oder wie ich nach einer aufreibenden Wohnviertelbesichtigung meine müden Glieder auf dem knarrenden Drahtgestell ablege und mich mit einem frisch gebrühten Instantkaffee (ohne Milch, weil kein Kühlschrank) aufmöble. Morgens nehme ich gerne einen köstlichen Apfeltee. Gar nicht so übel. Hilft gegen Durst. Mittags gehe ich in unsere kleine Kantine, die Sachen sind einigermaßen ok, der Geschmack deutet aber auf Convenienceprodukte hin. Warum, zum Teufel, fällt diesen Betriebsverpflegern als Beilagen nicht anderes ein als krümeliger Reis und Kartoffelbrei? Weshalb ich mich nicht jeden Tag durch die bunte Berliner Gastronomie fresse? Erstens macht alleine essengehen keinen Spaß. Zweitens verliert es auf Dauer seinen Reiz, wie alles, was zur Gewohnheit wird. Drittens ist es einfach schön, sich daheim wieder etwas Selbstgebrutzeltes einzuverleiben, von dem man auch weiß, was drin ist. Gestern abend gab es was aus Wasabis Nudelküche: Spaghetti, dazu eine sahnige Zucchinisoße mit Basilikum und geschlagenem Eigelb. Toll

Die schreckliche, die küchenlose Zeit wird hoffentlich bald Geschichte sein. Bis dahin heißt es durchhalten. Außerdem versuche ich, dieses Blog in den kommenden Wochen mit ein paar kleinen gastronomischen Erlebnisberichten aus der Hauptstadt zu versorgen.

Donnerstag, 5. Juli 2007

Eigener Herd...

... ist Goldes wert, sagt das Sprichwort. Auch wenn es wohl eher auf frühkapitalistische Lebensverhältnisse anspielt, wird mir auf Reisen immer wieder der Wahrheitsgehalt dieses Ausspuchs bewusst.

Eine Kurzreise im März in den schönen Südwesten unseres Landes verschlang nämlich ziemlich viel Geld und hatte als kulinarische Ausbeute zu bieten: zweimal Pide (von einer Dönerbude im Stuttgarter Hauptbahnhof namens Ützel-Brützel), einmal Fisch & Chips (Nordsee), einmal Tomatensuppe mit Brot (italienisch), einmal gemischter Salat mit Brot (treudeutsch), einmal Schweinemedaillons mit Spätzle und Pfifferlingsrahmsoße (Ratskeller), einmal Spinatravioli auf Möhrenschaum (ambitioniert, aber kaum gewürzt). Alles nur mäßig befriedigend.

Auf der Rückfahrt (mit der mediokren Pide Nr. 2 im Gepäck) freute ich mich auf das Abendessen am heimischen Küchentisch. Und auf das Selberkochen am nächsten Tag.
Ich las Helge Timmerbergs "Tiger fressen keine Yogis" - ein großartiges Buch zum Reisen mit der Deutschen Bahn, auch wenn die testosterongeschwängerten Angebereien etwas nerven, aber angesichts der Erlebnisse Timmerbergs auf der Fahrt nach Afghanistan mit einem klapprigen Bus, einem dusseligen Türken und einem spießigen Hippie möchte man den ICE Nürnberg-Leipzig nie mehr verlassen.

In der Geschichte "Jetzt koche ich" beschreibt Timmerberg seine kulinarische Sozialisation durch die Gaststätte im Haus seiner Eltern, in die ihn seine berufstätige Mutter regelmäßig zum Mittagstisch schickte. Später in der Geschichte wird doch noch gekocht - Timmerberg als absoluter Kochanfänger testet drei Kochbücher mit ziemlich desaströsem Ergebnis - und ich dachte den Rest der Fahrt darüber nach, warum bei mir trotz einer Kindheit mit Fischstäbchen und Erbsen und Möhren aus der Dose irgendwann der Hang zum verfeinerten Selberkochen durchschlug.

Klar, ich gehe gern essen und bestelle da am liebsten Dinge, die ich so zuhause nicht selbst kochen kann. Aber nach vier Tagen zwischen Ützel-Brützel, System- und Schickigastronomie habe ich das starke Bedürfnis nach etwas Selbstgemachten. Warum das so ist? Ich weiß es immer noch nicht.
Aber die These, dass ich ohne eigenen Herd nicht leben kann, bestätigte sich am vergangenen Wochenende auf Wohnungssuche in Berlin. Für den Übergang kampieren Ich mag gutes essen! und ich in einer leeren Wohnung von Bekannten. Zwar habe ich in Berlin im Vergleich erheblich besser gegessen als in Tübingen (die Onion Rings aus Zwiebelformfleisch von Burger King mal ausgenommen), aber - ohne eigenen Herd geht es auf Dauer nicht.
Die neue Wohnung hat übrigens einen Gasherd. Das wird spannend.