Sonntag, 28. Juni 2015

Der Kunger-Kiez: Leben zwischen Säuferkneipe und Feinschmecker-Restaurant

Charming Karl-Kunger-Straße
Ich habe es versprochen. Als ich mir das erste Mal über den Kunger-Kiez so meine Gedanken („Warum wir ein bisschen mehr Wohlstand in Berlin brauchen“) machte und sie hier der Welt mitteilte. Mit den Worten „Fortsetzung folgt“ ließ ich mein ersten Text im November 2010 enden. Das sind, ich schäme mich dafür, gute viereinhalb Jahre verschleppte Ankündigung. Die freundliche Ermahnung im Oktober 2013, dass es nun an der Zeit sei, die Fortsetzung zu schreiben, ließ ich scheinbar unbeachtet. „Ich würde darum bitten der Ankündigung einer Fortsetzung nachzukommen und jetzt fast drei Jahre nach veröffentlichung dieses Artikels das Thema erneut aufzugreifen“, schrieb die oder der nette Anonyme und ja: wer auch immer du bist, du hattest so recht.

Ok, nachdem ich lange vor meiner Schreibblockade kapitulierte, nehme ich nun den Kampf ums Wort wieder auf und werfe einen erneuten (nicht nur) kulinarischen Blick auf den Kunger-Kiez. Beginnen wir einfach mit einer Bestandsaufnahme.

Erstens: Die Säufer sind fast komplett aus dem Kiez verschwunden. Eine Ausnahme gibt es noch (dazu unten mehr), aber 2010 war der Anblick leerer Schnapsflaschen in der Karl-Kunger-Straße noch normal.


2010: Die Alkoholkranken hinterlassen überall ihre Spuren im Kiez


2015: Seit Monaten wurden keine Schnapspullen mehr gesichtet
Zweitens: Nun sind fünf Jahre sind in der Zeitrafferstadt Berlin gar nix. Abgesehen vom Hauptstadtflughafen, vom neuen Entreé der Museumsinsel, von der Renovierung des Opernhauses Unter den Linden, neuen Straßenbahntrassen und sonstigen verschleppten und verantwortungslos betriebenen Bauvorhaben, wächst, wuchert und metamorphisiert die Stadt wie ein Hefeteig bei 30 Grad Celsius.

 

Lücke geschlossen, Freiräume verschwunden

Da verwundert es nicht, dass auch der Kunger-Kiez in den vergangenen 4,5 Jahren sein Gesicht deutlich verändert hat. Nicht nur die Straßentrinker sind verschwunden. Auch weitere Baulücken in der Straße sind Geschichte. Wo auf einer Brache zwischen Bouché- und Krüllsstraße lange Zeit der Inselmarkt mit Fussballgucken, Gemüse- und Käsestand, Fahrradbastler und Burgerbrater den staubigen Freiraum zwischen den Brandmauern nutzte, steht jetzt ein nüchterner Wohnbau mit Vorder- und Hinterhaus. Die Lücke ist weg, der Freiraum damit auch.

Der alteingesessene Kioskladen in der Mitte der Straße nutzte die Gelegenheit und zog 50 Meter weiter in den Neubau. Lange blieb der alte Laden nicht leer. Eine im Kiez lange ersehnte Eisdiele – der „Fritze“ ist eingezogen. Ganz neu ist der Fritze aber auch nicht: Erst residierte er zwei Jahre lang eingekeilt zwischen Yogabude und Nähladen. Nach einer Zwangpause von einem Jahr plegt er nun sein etwas chaotisches, aber leckeres Dasein am neuen Ort 100 Meter weiter. Das ist ja wohl eine der wichtigsten Neuerungen am Ort: Es gibt hausgemachtes Eis (Biopistazie! Der absolute Geschmackshammer) und natürlich auch guten Kaffee und verschiedenes hausgemachtes Gebäck. Die Thekenmaiden sind zwar nett sind, hübsch, jung und bemüht, aber bei größerem Andrang wirken sie bisweilen etwas unorganisiert. Also Fritze: Bisschen mehr Struktur und du machst den dreifachen Umsatz.

 

Indien statt Italien

Nächster Wechsel. 2010 lobte ich das Il Sogno noch als tollen Feinkostladen mit Espressobar. Leider, leider hat das Konzept wohl doch nicht getragen. Der neue Besitzer ist ein Inder und hat das Angebot von italienisch, auf, nun ja, indo-italienisch umgebaut. Die fantastischen sizilianischen Rotweine, von denen ich öfter eine Flasche holte, gibt es nicht mehr. Über den Rest des Angebots kann ich nichts Substanzielles sagen. Aber die Menschen, die ich beim Imbiss beobachte, wenn ich auf den Marzahn-Bus 194 warte, scheinen zufrieden. Vor allem sind es immer dieselben. Stammgäste sind ja auch ein gutes Zeichen.

Stichwort Stammgast: Die hat auch die Treptower Klause, die sich bereits im sechsten Jahr mit unverändert guter Küche auf ihre Fans verlassen kann (wie auch umgekehrt). Mehr dazu in meinem ausführlichen und immer noch aktuellen Blogbeitrag von 2013. Wenn Koch Jussuf es jetzt noch schafft, ein fränkisches Schäuferla zu zaubern, dann wäre mein Glück vollkommen. Komm Jussuf, Schweinehaxen bayerischer Art bringst du doch auch erstklassig hin.

Die Manyo-Bar ist nicht mehr ... Die coolste Kneipe hat zugemacht. Ersatz ist nicht in Sicht.
Auch einen Totalverlust gibt es zu vermelden. Die Manyo-Bar war Sammelort für Kiezverrückte, Partyvolk und Absturzort nach zu langen Arbeitstagen. Sie ist nicht mehr. Die Immobilie ist in einem Onlineportal günstig ausgeschrieben, Vermerk „Keine Gastronomie“. Gerüchteweise soll die Wohnung über dem Manyo (genau: das Manyo, nicht die, obwohl es nach der ehemaligen Freundin des Wirtes benannt war) leergestanden haben – was mich nicht wundern würde bei der doch recht kräftigen Musikbeschallung. Nu isses also weg und hat viele Stammgäste heimatlos gemacht.

 

Berlin ist nicht New York

Verschwunden ist auch der Falafel-Laden des sympatischen arabischen Israeli gleich an der Ecke zur Bouchéstraße. Ich wollte immer mal drüber schreiben, jetzt ist es zu spät. Dennoch in aller Kürze eine kleine Dankesrezension: Sein Hummus war erstklassig, die Falafel suchten ihresgleichen, und ich lernte den Shakshouka kennen, ein Gericht, das es im ganzen arabischen Raum und unter dem Namen Menemen auch in der Türkei gibt. Die dickwürzige Tomatenpaprikasoße mit Spiegelei wurde gleich mein Lieblingsessen. Nun soll der Fafalelkoch nach New York gegangen sein, habe ich gehört. Berlin kann offenbar doch nicht gegen Manhattan anstinken und Alt-Treptow ist nicht das neue Brooklyn. Falls du liest lieber Falafelmann: mich hat das nicht gestört, dass du ein bisschen langsam warst und man aufs Essen warten musste. Ich vermisse dein Shakshouka. Und wünsche dir, dass du mit dem New Yorker Tempo mithalten kannst.

Aber auch hier gilt in Abwandlung eines längt zu Tode zitierten Dichterspruches: In jedem Ende wohnt ein neuer Anfang inne. Seit Wochen wird in der kleinen Gaststätte gewerkelt und getan, die nächsten Betreiber stehen offenbar schon in den Startlöchern und wir rätseln, was da kommen könnte. Eine weiteres Café oder eine Tapasbar, was mit offenem WlAN und Hipsterkompatibilität? Abwarten und Kaffeetrinken.

 

Kaffee im Kiez

Apropos Kaffee. Zwei Cafés gibt es im Kiez. Erstens das Provinz, so eine Art Kiezwohnzimmer ohne Couchgarnitur – bewährt mit Außensitz, Doppelkopfrunden, Lesungen, Strickabenden und Musiksessions. Zweitens Mona's Café (sic!), das sich vor allem an Eltern mit Zwergenbegleitung wendet. Während Mama und Papa selbstgebackene Kuchen spachteln, können die lieben Kleinen in der abgezäunten Kinderecke mit Klötzchen um sich werfen. Mir ist es ein bisschen zu hallig, zu mamimäßig, aber ich bin ja nicht die Zielgruppe. Und der Kungerkiez hat mittlerweile so viele Kinder, dass Mona und ihre Unterstützerinnen getrost auf meine Kaffeetrinkerei verzichten können.

Verzichten könnte der Kiez dagegen auf die verbliebene einzige Säuferkneipe im der Straße. Die Crazy Bar III (wo sich Nummern I und II befinden, will ich gar nicht wissen) bietet allerlei Menschen mit ungünstiger Sozialprognose eine traurige Heimstatt. Das Bier ist billig (Sterni 1 Euro), die Futschis ebenso, im Hinterzimmer klingeln die Spielautomaten und vielleicht auch noch anderes, und immer um den Ersten eines Monats tauschen die armen Teufel die knappe Stütze gegen einen megamäßigen Rausch. Dann kommen auch mal Polizei und Notarzt, um die 3-Promille-Leichen von der Straße aufzusammeln.

 

Was noch fehlt

Und jetzt ist mein Text schon wieder viel zu lang und weitschweifig geworden und ich habe noch nicht über die verschwundenen und die gegenwärtigen Bäcker geschrieben, den kleine Vietnam-Zeitschriftenladen, der auch hausgemachte Frühlingsrollen verkauft, das libanesische-deutsche Steakhaus im Italostil und die rumpeligen Germanoinder in der Plesserstraße. Deshalb mach ich hier Schluss und versuche nicht erst in vier Jahren nochmal was über den Kiez zu schreiben.

Habe ich noch ein Fazit? Ja, es geht weiter aufwärts, ohne dass die Prenzlauerbergisierung schon eingetreten ist. Indizen sind weiterhin eine reiche Auswahl an Kühlschränken, verrottenden Mobiliar und zerstörten Fernsehgeräten auf der Straße, reichlich Hundehaufen auf der Straße. Doch verschwunden sind aus dem Straßenbild die leeren Schnapspullen und die betrunkenen Männer, die vor dir in den Rinnstein pinkeln.

Wird fortgesetzt ...

Freitag, 8. August 2014

Café Deckshaus: Schöne Aussicht am historischen Hafen

In Berlin-Mitte gibt es ein paar wunderbare Ecken, die es offenbar nicht in die hippen Reiseführer geschafft haben. Der historische Hafen am Märkischen Ufer dürfte dazu gehören. Anders kann ich mir es nicht erklären, dass sich dort an einem herrlichen Augusttag wie heute kaum eine Handvoll Touristen verliert. 
Eingang zum Historischen Hafen an der Spree
Umso besser, denn so hatten wir heute das Café Deckshaus fast für uns alleine. Ich nenne die Lokalität immer „das Schiff“. Denn das Café befindet sich in und auf einem alten Heckradschlepper, dem man den früheren Einsatzzweck noch immer ansieht. Von Deck aus hat man eine herrlichen Blick zur Mühlendammschleuse und Fischerinsel mit den Spitzen der Nikolaikirche im Hintergrund. Auch an warmen Tagen wie heute weht ein erfrischender Wind über die Spree. Die Luft riecht angenehm nach Flusswasser, vermischt, mit dem Duft der alten Schiffe am Kai.
Blick Mühlendammschleuse vom Historischen Hafen Berlin vom Deck des Café Deckshaus
Mühlendammschleuse - im Hintergrund die Nikolaikirche. Im Vordergrund jede Menge Schiffszubehör.
Und weil Mittag war und wir Hunger hatten, bestellten wir auch einen Imbiss aus der recht überschaubaren Karte. Nun gibt es Gaststätten, die ich nicht unbedingt wegen des guten Essens besuche. Die haben andere Qualitäten und dazu gehört auch das Schiff im alten Hafen mit seiner immer freundlichen Bedienung und gut gezapften Getränken. Es gibt Bauernfrühstück. Oder Schnitzel, Matjesheringe und Bouletten – wahlweise mit Kartoffelsalat oder mit Bratkartoffeln.
Currywurst mit Brot und Salat im Café Deckshaus Historischer Hafen Berlin
Eine Currywurst bleibt eine Currywurst. Auch mit Brot und Salat.
Ich nahm eine Currywurst mit Hausmachersoße (4,90 Euro), den grünen Salat behielt ich, den Mayonaise­kartoffelsalat dagegen ließ ich durch zwei Butterstullen ersetzen. Was für die freundliche Bedienung auch überhaupt kein Problem war. Zu sagen gibt es nicht viel: es war halt eine Currywurst. Auch wenn hier in Berlin ein ziemliches Gewese um diese Wurst gemacht wird – sie ist ein einfaches Imbissgericht und das sollte sie auch bleiben. Mein Begleiter T. nahm den Sahnehering (8,80 Euro) und war zufrieden. Dazu tranken wir Apfelschorle (3,40 Euro für 0,4l), T. bestellte zum Abschluss noch einen ordentlichen Milchkaffe (2,80 Euro), bevor wir kurz nach Alice Schwarzer zufrieden und entspannt das Café Deckhaus verließen.

 

Fazit

Tolle Aussicht auf Spree und Berlin-Mitte, gepflegte Getränke, Imbissgelegenheiten zum fairen Preis und viel Ruhe.


Cafe´Bistro Deckshaus 
Märkisches Ufer 1z
10179 Berlin
Webseite: www.deckshaus.de

Mittwoch, 6. August 2014

Berliner Kuchen in der Sommerfrische: Literaturcafé in Strausberg

Am Wochenende und sonstigen freien Tagen fährt der Städter gerne in die Sommerfrische aufs Land, der Berliner also nach Brandenburg. Wir sind da keine Ausnahme und nahmen am Urlaubsmontag die S5 nach Strausberg.  Ist schon toll, wohin man mit der Berliner S-Bahn überall hinkommt

Vom Haltepunkt Strausberg-Stadt läuft man in wenigen Minuten ins Städtchen, das recht idyllisch am Straussee liegt. Leider bekamen wir auch jede Menge Wasser von oben ab, denn pünktlich mit unserer S-Bahn war auch ein heftiger Sommerregen in Strausberg angekommen. Ein guter Anlass um ein trockenes Plätzchen mit Kaffee und Kuchen zu suchen.

Literatur- und Kunstcafé von außen
Im trüben Regenwetter nicht sehr spektakulär, wenn man davor steht, aber sehr einladend:
das Literatur- und Kunstcafé Litera in Strausberg.

Erfreulicherweise gibt es im historischen Stadtkern einige Cafés und und auch Bäckereien mit Sitzgelegenheiten. Keine Selbstverständlichkeit in Orten dieser Größe. Das freut die Leckeresser, die immer gerne ein bisschen Auswahl haben. Wir entschieden uns für das Literatur-und Kunstcafe in der Großen Straße. Das wirkte so schön heimelig, schon von außen konnte man das Holzfachwerk mit den weiß gestrichenen Wänden sehen. Dabei haben die Betreiber eine gute Balance zwischen dem alten Haus und der sachlich-soliden Einrichtung gefunden. Dem Café geht glücklicherweise alles muffige Butzenscheibenhafte.

Backprofis am Werk


Und so genossen wir drinnen unseren Cappuccino, während draußen der Tropenregen pladderte. Dazu aßen wir einen ausgezeichneten Streuselkuchen mit Heidelbeeren aus dem ansehnlichen Gebäckangebot. Natürlich war ich neugierig, wer in Strausberg so einen guten Kuchen backen würde und fragte die freundliche Kellnerin nach dem Lieferanten. Denn hier war eindeutig ein guter Konditor am Werk.

Cappuccino und Streuselkuchen im Literaturcafé in Strausberg
Für Streuselkuchenfans ein Fest. Der Cappuccino ist lecker, nur die Milch etwas zu luftig aufgeschäumt.

Die Antwort war etwas überraschend. Der Kuchen kommt aus einer Berliner Konditorei – welche wurde aber nicht verraten. Dabei waren wir bei unserem Streifzug durch Strausberg an mindestens vier Bäckereiläden vorbeigekommen. Warum es keiner von denen das Café beliefern darf, wurde mir nicht verraten.

 

Der Konditor bleibt geheim


Wahrscheinlich gelten hier die ungeschriebenen Regeln der Kleinstadt für Geschäftsleute: Wenn man im Ort kauft, muss man bei allen kaufen. Sonst sind die einen beleidigt, die anderen werden beneidet. Also lässt man es besser ganz bleiben und sucht sich ganz was anderes. Und wenn man nicht selbst bäckt, holt man sich das Zeug halt aus Berlin. Aber das ist alles nur eine Vermutung. Ich jedenfalls wünschte mir, der Berliner Konditor wäre in unserem Kiez. Er hätte mich sofort als Stammkunde gewonnen.

Fazit

Ein schönes Café in einem interessanten Ort. Der Kaffee ist gut, der Kuchen noch besser. Und wem mehr nach einem Eisbecher ist, findet eine schöne Auswahl an offenem Eis aus Grünheide. Das blieb aber ungetestet, deshalb nur der Hinweis ohne explizite Empfehlung.

Literatur-und Kunstcafe LITERA 
Große Straße 58
15344 Strausberg
Webseite: www.cafe-litera.de

Sonntag, 3. August 2014

Frisch, scharf, bodenständig: Südchinesische Köstlichkeiten im Tian Fu 2

Ich hatte mich hier im Blog ja bereits als bekennender Fan der chinesischen Sichuan-Kost geoutet. Das Feine, Raffinierte ist nun nicht gerade die Stärke dieser Küche – soweit ich das aus meinen bisherigen Gaumentests sagen kann. Kräftig, deftig, scharf trifft es am ehesten; eine grundsolide Hausmannskost, die satt macht, aber keinesfalls plump daher kommt.

Damit kann man mich als Franken immer begeistern, wenn auch der fränkischen Küche die Schärfe leider vollkommen abgeht. Aber das ist ein grundsätzliches Problem der deutschen Kost, wir sind leider nicht gerade das Mutterland der Chilis. Aber ich schweife ab...
Tian Fu Berliner Straße -  Blick von außen ins Chinesische Restaurant
Tian Fu 2 - Original Sichuan-Küche wir versprochen - und die gibt es auch
Da Wasabi – die Liebste – scharfes Chinaessen ebenfalls sehr liebt, wollten wir diesmal das Tian Fu in der Uhlandstraße ausprobieren. Das alteingesessene Restaurant hat eine Menge begeisterte Stammgäste, die auch in den einschlägigen Foren mit Lob nicht geizen. Die Fans hatten diesmal schon am frühen Abend – es war gerade 19 Uhr – sämtliche Tische in Beschlag genommen und so standen wir etwas ratlos da mit unserem Hunger.

Auf den Rat der freundlichen Kellnerin machten wir uns auf den Weg ins Tian Fu II, eine noch relativ junge Zweigstelle des Tian Fu-Imperiums. Ohne diese Empfehlung hätten wir das Restaurant vermutlich niemals besucht. Es stellte sich nämlich als autogerecht an der vierspurigen Berliner Straße gelegener schraddeliger Flachbau heraus. An den Fenstern klebten zugetaggte All-you-can-eat-Aufkleber, daneben ein Asia-Supermarkt (der zum Restaurant gehört, wie wir dann feststellten). Aber wie sagte die Liebste: Wenn du schön auf einem Dorfanger essen willst, dann bist du in Berlin falsch.

Wir bestellten zum Einstand einen kalten pricklend erfrischenden Glasnudelsalat – herrlich scharf mit Chilistücken, obwohl als nicht scharf ausgezeichnet. Die Liebste nahm die formidable Ente nach Sichuan Art mit großen Chilistücken drin und ich blieb ganz konventionell bei einem Schweinefleischgericht. Leider waren wir viel zu aufgeregt und ausgehungert, um Fotos zu machen. Deshalb bleiben diese Köstlichkeiten unbebildert.

Scharfer Gurkensalat im Tian Fu Berliner Straße  - Chinesisches Restaurant
Scharfer Gurkensalat mit Chilisoße

Weil wir spontan beschlossen, Stammgäste zu werden, konnten wir die die Fotos bei unserem zweiten Besuch nachholen.

Zur Eröffnung aßen wir gefüllte und gekochte Teigtaschen mit einer pikanten Ingwer-Schweinehack-Füllung (3,90 Euro) - und Gurkensalat in Chilisauce (3,50 Euro). Der Salat war anregend scharf, die Teigtaschen machten Appetit auf mehr. Das war auch gut so, denn die Hauptspeisen sind keine Portionen für Feiglingen. Wer an der Menge scheitert, kann sich die Reste für Zuhause einpacken lassen. Das lohnt sich, denn zum Wegwerfen ist das gute Zeug definitiv zu schade.
Scharfe Teigtaschen im Tian Fu Berliner Straße  - Chinesisches Restaurant
Gefüllte Teigtaschen - eine Art Raviolo in scharfer Soße -  machen Appetit auf mehr
Als Hauptgang brachte mir die sehr freundliche Kellnerin Aubergine Yüxiang Art für 8,50 Euro. Das Gemüse war bissfest geschmort, schmolz auf der Zunge, die süßsaure Soße hatte eine leichte Knoblauchnote und schmeichelte den Geschmacksknopsen mit einer wärmender Schärfe. Reste zum Einpacken blieben leider keine, dazu war dieses vegetarische Gericht einfach zu köstlich.

Hauptgerichte: Bohnen mit Hack und scharfe Auberginen im Tian Fu Berliner Straße  - Chinesisches Restaurant
Auberginen Yüxiang-Art und trocken gebratene Bohnen mit gehacktem Schweinefleisch

Ebenso erging es der Liebsten; sie hatte grüne Bohnen mit geröstetem Schweinehack und eingelegten Gemüse mit Chili bestellt. Das Fleisch ist nicht gewolft, sondern wird offenbar mit Hackmessern zerkleinert. Dadurch hat es eine sehr krümelige und fast trockene Konsistenz (8,90 Euro).

Das alles ist relativ arm an Soße, was aber kein Fehler ist, sondern Programm. Denn die Sichuan-Küche liebt die „trocken gebratenen“ Gerichte.

Wer sich also ein Essen ohne Unmengen von Soße nicht vorstellen kann, sollte lieber zum Feuertopf – ebenfalls eine Sichuan-Spezialität – oder einen der Eintöpfe greifen.


Fazit:

Die Fahrt in diesen absolut nicht so schicken Teil von Berlin lohnt sich auf jeden Fall. Eine Reservierung dürfte derzeit nicht nötig sein, denn das Restaurant hat reichlich Plätze.Also: hinfahren, am besten mit mehreren Personen und ganz, ganz viele verschiedene Gerichte probieren und glücklich mit den Resten für die nächsten Tage nach Hause fahren.

Tian Fu – Restaurant Berliner Straße

Berliner Str. 15
10715 Berlin
Tel.: 030/86 39 77 80
Mo.-So. 12.00 – 23.00 Uhr

Webseite: tianfu.de